Byrne & Balzano 3: Lunatic
wirbelte herum. Kyle stand noch immer neben der Theke und beobachtete ihn. Doch die Zeitschrift lag nun auf dem Boden. Als Kyle begriff, dass die beiden Männer nicht gehen würden, versuchte er, unter die Theke zu greifen.
In diesem Augenblick sah Kevin Byrne etwas Unglaubliches.
Vincent Balzano rannte quer durch den Raum, sprang über die Theke, packte den blonden Mann an der Kehle und schleuderte ihn gegen ein Regal. Es schepperte und krachte. Ölfilter, Luftfilter und Zündkerzen flogen durch die Luft.
Das alles hatte keine drei Sekunden gedauert. Vincent hatte sich schnell wie ein Schatten bewegt.
Während er mit der linken Hand Kyles Kehle umklammerte, zog er mit einer geschickten Bewegung seine Waffe und richtete sie auf den schmutzigen Vorhang vor einem Durchgang, der vermutlich in ein Hinterzimmer führte. Der Vorhang sah aus, als wäre er einst ein Duschvorhang gewesen, doch Byrne bezweifelte, dass Kyle mit diesem Begriff viel anfangen konnte. Und hinter dem Vorhang stand jemand. Byrne hatte ihn ebenfalls gesehen.
»Kommen Sie da raus!«, rief Vincent.
Nichts. Keine Bewegung. Vincent richtete die Waffe zur Decke und feuerte. Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die Werkstatt. Dann richtete Vincent die Waffe wieder auf den Vorhang.
»Wird’s bald?«
Eine Sekunde später trat ein Mann vor den Vorhang, die Arme zur Seite gestreckt. Es war Kyles eineiiger Zwillingsbruder. Auf seinem Namensschild stand Keith .
»Detective?«, sagte Vincent.
»Ich hab ihn«, erwiderte Byrne. Er musterte Keith, und das genügte. Der Mann war vor Angst erstarrt. Byrne brauchte seine Waffe nicht zu ziehen. Noch nicht.
Vincent wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kyle zu. »Du hast jetzt genau zwei Sekunden, um zu reden.« Er presste seine Waffe auf Kyles Stirn. »Nein. Sagen wir eine Sekunde.«
»Ich weiß nicht, was Sie ...«
»Sieh mir in die Augen, und sag mir, dass ich nicht verrückt bin.« Vincent verstärkte den Druck auf Kyles Kehle. Der Mann lief olivgrün an. »Wird’s bald?«
Alles in allem war es vermutlich nicht die beste Verhörtaktik, einen Mann zu würgen und dann zu erwarten, dass er redete. Aber im Moment dachte Vincent Balzano nicht daran.
Vincent verlagerte sein Gewicht und schleuderte Kyle mit voller Wucht auf den Boden, sodass dieser keine Luft mehr bekam. Dann presste er ein Knie auf Kyles Leiste.
»Ich sehe, dass deine Lippen sich bewegen, aber ich höre nichts«, sagte Vincent. Seine Hand, die die Kehle des Mannes umspannte, lockerte sich ein wenig. »Mach endlich das Maul auf.«
»Sie ... sie waren hier«, presste Kyle hervor.
»Wann?«
»Gegen Mittag.«
»Wo sind sie hin?«
»Das ... weiß ich nicht.«
Vincent drückte die Mündung seiner Waffe auf Kyles linkes Auge.
»Warten Sie! Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht!«
Vincent atmete tief durch, um sich zu beruhigen, doch es schien nicht zu funktionieren. »In welche Richtung sind sie gefahren?«
»Nach ... Süden«, stammelte Kyle.
»Was ist da?«
»Doug’s. Vielleicht waren sie da.«
»Was zum Teufel ist Doug’s?«
»Eine Gastwirtschaft.«
Vincent zog die Waffe zurück. »Vielen Dank, Kyle.«
Fünf Minuten später fuhren die beiden Detectives Richtung Süden. Aber erst, nachdem sie jeden Winkel der Double-K-Autowerkstatt durchsucht hatten. Es gab keine Anzeichen dafür, dass Jessica und Nicci sich hier länger aufgehalten hatten.
82.
R oland konnte nicht länger warten. Er zog seine Handschuhe an und streifte seine Wollmütze über. Der Gedanke, bei einem Schneesturm ohne Orientierung durch den Wald zu laufen, erfreute ihn nicht, doch er hatte keine andere Wahl. Er schaute auf die Tankanzeige. Der Motor und die Heizung liefen, seitdem sie angehalten hatten. Die Füllmenge des Sprits betrug nur noch knapp ein Achtel.
»Warte hier«, sagte Roland. »Ich suche Sean. Es dauert nicht lange.«
Charles musterte ihn. In seinen Augen spiegelte sich entsetzliche Angst. Das hatte Roland schon oft gesehen. Er nahm Charles’ Hand.
»Ich komme wieder«, sagte er. »Ich verspreche es dir.«
Roland stieg aus dem Van. Als er die Tür zuschlug, rutschte vom Dach des Fahrzeugs Schnee auf seine Schultern. Er fegte ihn mit der Hand weg, schaute durchs Fenster und winkte Charles zu. Charles winkte zurück.
Roland lief den Pfad hinunter.
Es kam Roland so vor, als ständen die Bäume immer dichter beieinander. Er war schon fünf Minuten unterwegs und fand weder die Brücke, die Sean erwähnt hatte,
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