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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Vielleicht war er selbst einmal »ein hungriger, müder Reisender« gewesen.
    »Möchtest du die andere Hälfte vom Sandwich?«, fragte er.
    »Nein, danke«, erwiderte Lilly. »Glaub nicht.«
    »Verstehe.« Er wandte sich wieder der Zeitung zu, sagte aber nach ein paar Augenblicken: »Es schmeckt wirklich sehr lecker. In meinem Alter sind die Augen leider oft größer als der Magen.«
    Lilly schaute sich den Mann etwas genauer an. So alt war er gar nicht. »Sie wollen es wirklich nicht aufessen?«
    Der Mann schlug sich auf den Bauch. »Wirklich nicht.« Er schaute auf die Uhr. Sie sah alt und teuer aus. Vielleicht war sie sogar aus echtem Gold. Er trug auch Manschettenknöpfe. Lilly hatte noch nie jemanden gesehen, der Manschettenknöpfe trug. Bei ihr zu Hause konnte man froh sein, wenn die Männer überhaupt Hemden trugen.
    »Außerdem bin ich gleich mit meiner Frau zu einem frühen Mittagessen verabredet«, fügte er hinzu. »Sie bringt mich um, wenn ich keinen richtigen Appetit mitbringe. Oder wenn ich nicht wenigstens so tue.«
    Lilly schaute sich um. Obwohl sie sich in der Öffentlichkeit aufhielten und niemand auf sie achtete, hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie kam sich vor wie ein Sozialfall, als wäre sie die Einzige in der Stadt, die Hunger hatte oder einen Unterschlupf suchte. Wie eine Obdachlose. Und das war sie keineswegs.
    »Okay«, sagte sie und nahm das Sandwich vom Teller. »Danke.«
    Der Mann sagte nichts, zwinkerte ihr nur zu. Greif zu, sagte sein Blick.
    Für einen Mann seines Alters war er echt cool.
    Das Sandwich schmeckte köstlich. Lilly hätte gerne noch eins gegessen oder Pommes oder etwas anderes, aber sie hätte niemals danach gefragt. Das wäre ja fast einer Aufforderung gleichgekommen, eine Gegenleistung zu verlangen. So was hatte sie schon erlebt.
    Ein paar Minuten später faltete der Mann die Zeitung zusammen, schaute auf die Uhr und hob dann den Blick zu Lilly. »Es ist vielleicht ein bisschen dreist, aber dürfte ich dich fragen, wie du heißt?«
    Lilly wischte sich mit einer Papierserviette über den Mund und schluckte den letzten Bissen Sandwich herunter. Dann trank sie einen Schluck Cola und setzte sich gerade hin. Das tat sie immer, wenn sie lügen wollte. »Ich heiße Lilly«, sagte sie und wunderte sich, dass ihr der Name so leicht über die Lippen kam, als hätte sie ihn sich schon vor Jahren zugelegt.
    Der Mann schaute sie verwundert und erfreut zugleich an. »Ich habe eine Tochter, die heißt auch Lilly«, sagte er. »Sie ist erst drei Monate alt.« Er zog eine hübsche Brieftasche hervor und nahm ein Foto heraus. »Das ist sie.«
    Auf dem Foto war ein entzückendes Baby mit rosigen Wangen und blauen Augen zu sehen. Lilly hatte noch nie ein so süßes Baby gesehen. »Mein Gott, was für ein hübsches kleines Mädchen.«
    »Danke. Ich könnte jetzt sagen, dass meine Tochter ganz nach dem Vater kommt, aber so eingebildet bin ich nicht.« Er steckte das Foto wieder ein und schaute auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich muss los.« Er stand auf und griff nach seiner Aktentasche, die neben dem Stuhl stand. »Ich habe mich gefreut, dass wir uns getroffen haben. Es war schön, mit dir zu plaudern.«
    »Ich hab mich auch gefreut.«
    »Und nimm dich vor bösen Jungen an Straßenecken in Acht.«
    »Mach ich.«
    Der Mann verneigte sich leicht, drehte sich um und ging auf den Ausgang in der Dreißigsten Straße zu. Kurz darauf war er verschwunden.
    Lilly wusste, was sie tun würde. Seltsamerweise hatte sie gar keine Angst.
    Dieser Mann war Vater eines kleinen Mädchens.
    Sie stand auf, rannte durch den Bahnhof und fand ihn an der nächsten Ecke.
    Sie erzählte ihm alles.

46.
    D AS WEISSE Z ELT stand fast am Rand des Daches und schützte das Mordopfer vor der Sonne und den neugierigen Blicken der Medien, die wie Falken mit roten Schwänzen über dem Gebäude kreisten. Auf dem Dach hielten sich dreißig Personen auf: Detectives, Kriminaltechniker, Ermittler aus der Gerichtsmedizin. Die Kriminaltechniker machten Fotos, nahmen Messungen vor und suchten nach Fingerabdrücken.
    Als Jessica und Byrne eintrafen, erstatteten die anderen ihnen sofort Bericht. Das konnte nur eines bedeuten: Der hier verübte Mord hatte mit ihren Ermittlungen zu tun.
    Als Jessica das Plastikzelt öffnete, wusste sie, dass ihre Vermutung richtig war. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Vor ihr saß ein Mädchen mit langem dunklen Haar und dunkelbraunen Augen, höchstens siebzehn Jahre alt. Es trug

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