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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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die Pfoten neben ihr Ohr. Er bellte nicht, knurrte nicht, jaulte nicht, doch sein Hecheln und vor allem der Geruch seines Atems hatte sie schließlich immer geweckt.
    Lilly begriff, dass es nicht Rip war. Sie war nicht zu Hause.
    Sie war in der Hölle.
    Sie erinnerte sich, dass sie zu dem Mann in den Wagen gestiegen war. Er hatte seine Frau angerufen. Sie erinnerte sich auch an einen starken chemischen Geruch – und dann war ihr schwarz vor Augen geworden. Hatten sie einen Unfall gehabt? Rasch strich sie sich über Arme und Beine. Sie schienen unverletzt zu sein.
    Als Lilly die Augen aufschlug, sah sie als Erstes einen bronzenen Kornleuchter, der inmitten eines Stuckmedaillons an der Decke hing. Sie lag in einem Bett und war mit einer weißen Daunensteppdecke zugedeckt. Im Zimmer war es düster und heiß, und es kam ihr vor, als wäre es mitten in der Nacht. Sie warf die Decke zurück und versuchte, sich hinzusetzen, doch ihr Kopf schmerzte fürchterlich. Als sie sich wieder hinlegte, kehrte die Erinnerung zurück. Der Mann hatte sie betäubt. Sie hatte ihm vertraut, und er hatte ihr Vertrauen missbraucht und sie betäubt. Sie spürte Übelkeit in sich aufsteigen und kämpfte dagegen an.
    Ängstlich schaute sie sich im Zimmer um und versuchte, die Entfernungen einzuschätzen. Vor den beiden Fenstern hingen dunkelgrüne Vorhänge. Sie sah zwei Türen. An einer befand sich ein Schloss. Die andere musste eine Schranktür sein. Im Zimmer standen eine Kommode mit einem Spiegel, zwei Nachttische und eine Lampe. An der Wand hing ein großes Gemälde. Das war alles.
    Lilly versuchte erneut, sich aufzurichten, als sie schnelle Schritte vor der Tür hörte. Hastig zog sie die Decke bis ans Kinn und stellte sich schlafend.
    Schlüssel drehten sich im Schloss. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Er kam ins Zimmer und knipste eine Lampe an, worauf der Raum in warmes Licht getaucht wurde. Lilly rührte sich nicht. Er sollte glauben, sie wäre noch bewusstlos.
    Nach einer Weile riskierte sie es und öffnete die Augen. Sie sah, dass er die Vase auf der Kommode verrückte und über den Saum der Daunendecke und die Falten der Vorhänge strich. Er überprüfte mindestens ein Dutzend Mal, ob das Bild gerade hing. Lilly verspürte den Wunsch, aus dem Bett zu springen und ihm die Augen auszukratzen, doch sie war viel zu schwach, um irgendetwas zu versuchen. Und sie brauchte einen klaren Kopf. Sie musste nachdenken. Sie wusste, dass sie nur eine einzige Chance hatte – falls überhaupt.
    Lilly atmete langsam und gleichmäßig, schloss die Augen und blinzelte durch einen winzigen Spalt. Eine ganze Weile stand er am Fußende des Bettes und betrachtete sie. Es war so leise, dass Lilly ihren eigenen Herzschlag im Daunenkissen hören konnte.
    Nach ein paar Minuten betrachtete er sich kurz im Spiegel, ging hinaus und schloss die Tür. Lilly hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte, dann einen zweiten Schlüssel, gefolgt von Schritten auf dem Gang.
    Dann Stille.

70.
    00.59 Uhr
    Menschen säumten die Straßen Nord-Philadelphias. Es regnete leicht. Mücken tanzten in dichten Schwärmen in der feuchten Luft. Aus den Stereoanlagen der Autos dröhnte Musik. In den hohlen Händen wurden Joints versteckt. Die Leute, die sich in der Broad Street versammelt hatten – einige mit Ferngläsern –, zeigten immer wieder auf das blutrote Ziffernblatt der Uhr am Turm der City Hall. Was geschah als Nächstes?
    Alle lokalen Fernsehsender hatten exklusiv über die Story berichtet. Es begann mit Unterbrechungen der Late-Night-Talkshows. Zwei Sender hatten jeweils drei Kameras aufgestellt und zeigten nun Live-Bilder auf ihren Websites. Immer wieder wurde die rote Uhr des Uhrenturms der City Hall eingeblendet. Es war wie eine verrückte Version der Silvester-Show mit Dick Clark.
    Jessica staunte immer wieder, wie schnell die Medien sich auf jede noch so gruselige Sensationsstory stürzten. Sie fragte sich, wie redegewandt diese Reporter und Nachrichtensprecher ihre Meldungen verlesen würden, wenn ein teuflischer Psychopath ihre Töchter gekidnappt hätte. Wären sie dann auch bereit, den dummen und gefährlichen Kampf um Einschaltquoten zu führen?
    Sie fuhren auf der Fünften Straße Richtung Norden, kreuzten die Callowhill und Spring Garden Street, dann die Fairmount Avenue, die Poplar und die West Girard Street. Jessicas forschender Blick glitt über Häuser und Straßenecken, Gesichter und Hände.
    Hatte er sich unter die Leute gemischt? Stand er

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