Byzanz
es spielt keine Rolle, ob ich davon wusste oder nicht, ob ich mitschuldig bin oder nicht?«
»So ist es, mein Freund. Es würde mich nur persönlich interessieren, um meine Menschenkenntnis zu überprüfen, hattet Ihr Kenntnis von der Befreiung des falschen Mustafa?«
»Nein, wirklich nicht. Wäre ich dann zu Euch gekommen?«
Plötzlich keimte in Loukas ein Verdacht auf, weshalb man ausgerechnet ihn geschickt hatte. Er war in die politischen Intrigen nicht eingeweiht, zudem kein Mitglied der vornehmen Familien, nur der Sohn eines reichen Aufsteigers, selbst ein Emporkömmling, der nach dem Höchsten griff. Loukas wurde bewusst, dass er das ideale Bauernopfer abgab. Sollte es ihm wider alle Wahrscheinlichkeit gelingen, dem Tod zu entrinnen, dann würde er diese Erfahrung für die Zukunft beherzigen und sich niemals mehr benutzen lassen.
»Ihr ladet eine Sünde auf Euch!«, sagte er.
»Weil wir einen Unschuldigen töten? Wo lebt Ihr? Es werden weit mehr Unschuldige als Schuldige getötet. Mein Herr kann nicht nicht antworten. Es muss eine starke, jedem verständliche Botschaft sein, und welche Botschaft ist stärker, als den Kopf des Botschafters zurückzuschicken?«
»Ihr habt recht, leider!« So weit kannte er die Spielregeln, um zu wissen, dass die Argumentation des Paschas schlüssig war und dass es hierbei nicht um seine Person, sondern um seine Funktion ging.
»Schade um Euch«, seufzte Halil.
Eine letzte Idee kam Loukas noch. »Aber was wird aus den Geschäften, die wir miteinander machen wollen?«
»Ihr seid nicht der einzige Geschäftsmann, mit dem man zusammenarbeiten kann. Gerade hat sich mir ein junger Mann aus Galata vorgestellt. Vielleicht kennt Ihr ihn. Draperio, Francesco Draperio.«
»Nie gehört.«
»Wäre auch für Euch ein interessanter Mann gewesen. Nun, es ist, wie es ist. Lebt wohl, Loukas Notaras. Politik ist ein schmutziges Geschäft, zu schmutzig für Euch, aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr«, sagte der Pascha und wandte sich ab.
Loukas wurde wieder in sein komfortables Gefängnis geführt. Die Türken, das musste er anerkennen, behandelten ihn mehr als korrekt.
Am nächsten Morgen erhielt er Besuch von einem jungen Mann, der sich als ebenjener Francesco Draperio aus Galata vorstellte, den Halil Pascha erwähnt hatte.
Aus der Handelsniederlassung der Genuesen hatte sich eine kleine Stadt entwickelt, die gegenüber von Konstantinopel lag, getrennt nur durch das Goldene Horn. Und weil sie gegen über lag, nannten die Byzantiner die Stadt auf griechisch Pera, während die Genuesen ihrer Kolonie den Namen Galata gegeben hatten. Von dieser Stadt aus starteten die Genuesen ihre Handelszüge ins Schwarze Meer, nach Trapezunt und nach Kaffa. Allerdings waren sie auch in Konstantinopel mit eigener Gerichtsbarkeit, eigener Kirche, Geschäften, Wohnhäusern und Lagerhallen in der Nähe der Nordhäfen vertreten. Schließlich kam es in der Konkurrenz zu den Venezianern, Pisanern und Anconitanern darauf an, in der Stadt selbst Flagge zu zeigen.
Der alte Notaras verfügte über beste Kontakte zu den Genuesen und arbeitete eng mit ihnen zusammen. Aber den Namen Draperio hatte Loukas den Vater nie erwähnen hören. Deshalb reagierte er zurückhaltend auf den Fremden. Der Genuese nahm keine Notiz von der Reserve, sondern erzählte Loukas, dass er bisher gutes Geld mit Schiffsversicherungen verdient habe und nun in den Handel investieren wolle. Hierfür suche er starke Partner, und das Handelshaus Notaras könne ein starker Partner sein.
Diese Dreistigkeit verblüffte Loukas. »Guter Mann, ich bin gefangen und dem Tod näher als dem Leben. Und da sprecht Ihr von Geschäften?« Er fragte sich, was dieser Genuese wirklich von ihm wollte und weshalb ihn Halil Pascha in einer nur scheinbar zufälligen Nebenbemerkung erwähnt hatte.
»Ich habe mich leider mit wenig Erfolg beim jungen Sultan für Euch verwandt. Zumindest hat er mir gestattet, Euch zu sehen, weil er Euch persönlich schätzt. Verzeiht, Ihr solltet nur wissen, wer ich bin, weil ich Eurer Familie eine Botschaft von Euch überbringen könnte, wenn Ihr das wünscht.«
Loukas musterte den Fremden. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass der Türke ihm einen Freundschaftsdienst erweisen wollte, indem er ihm ermöglichte, sich brieflich von seiner Familie zu verabschieden. Durfte er dem Mann aus Galata vertrauen? Andererseits hatte er nichts mehr zu verlieren. »Wenn Ihr treulich Briefe meiner Familie übergeben würdet, ruht
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