Byzanz
Religionen nachzudenken, lehnte er ohnehin ab. Er glaubte an den allmächtigen Vater, an den Herrn Jesus Christus, an den Heiligen Geist und feierte die Messe so, wie es die Liturgie des Johannes Chrysostomus oder Basilius des Großen vorsah. Das genügte für ihn, denn mehr wissen zu wollen war von Übel, weil es nur verwirrte und von den wichtigen Aufgaben ablenkte. Er räusperte sich und bot dem Emir an, fünfzig Ritter in die Schlacht zu führen. Auch wenn Dschuneid genügend eigene Kämpfer besaß, nahm er das Angebot an, denn die Größe der Übermacht verkürzte die Schlacht, weil sie demoralisierend auf den Feind wirkte.
»Was kostet Eure Hilfe?«, erkundigte sich Dschuneid.
»Das Fürstentum Nikomedien, nicht für meinen Herrn, sondern für mich persönlich.«
»Jetzt kann ich Euch wirklich vertrauen, da Ihr nicht nur für Euren Herrn, sondern auch für Euren persönlichen Vorteil kämpft«, antwortete der Emir mit sibyllinischem Lächeln. Zwar empfand er den Preis für die Unterstützung als viel zu hoch, aber das Versprechen kostete bekanntlich erst mal nichts. Außerdem wusste niemand, ob der Fürst die Schlacht überhaupt überleben würde.
»So soll es sein!«, stöhnte Dschuneid, nachdem er so getan hatte, als müsse er darüber nachdenken. Er wusste, dass Mustafa, um Verbündete zu gewinnen, so manche Stadt und manche Herrschaft gleich mehrfach versprochen hatte. Nach dem Sieg würde man sich darum kümmern, wer tatsächlich etwas erhielt und wer leer ausgehen würde. Einige Probleme würden sich von selbst erledigen. Und nicht alle, die darauf hofften, würden die Verteilung der Beute erleben, dafür würde er schon Sorge tragen.
Am gleichen Tag, als der Emir von Smyrna Boten ins Land schickte, um die türkischen, die karamanischen und tartarischen Fürsten vor Bursa zu versammeln, und Alexios nach Westen ritt, um die Ritter anzuheuern, führte in Edirne Halil Pascha Loukas zum Sultan. Murad trug bereits Kampfkleidung, die weiße Hose, die weiße Tunika, darüber den silberleuchtenden Harnisch und die Bein- und Armschienen. Das schützende Eisen war kunstvoll ziseliert. Den Kopf sicherte ein runder Helm, aus dessen Mitte ein Pferdehaarbüschel nach hinten fiel. Im Wehrgehänge schaukelte leicht ein reichverzierter Krummsäbel, dessen Griff aus Elfenbein gearbeitet war. Durchdrungen von seiner Aufgabe, das Reich der Osmanen zu beherrschen, milderten seine Intelligenz und Spiritualität nicht die Entschlossenheit in den Gesichtszügen des Sultans. Trotz seiner Jugend wirkte Murad gefährlich.
»Ich hoffe, Loukas Notaras, dass du ein ehrlicher Mann bist, denn ich habe beschlossen, dir das Leben zu schenken. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich will mich nicht mit deinem Blut beflecken. Schon gar nicht, bevor ich in die Schlacht ziehe, in der es für mich um Leben oder Tod, um Regieren oder Sterben geht, denn du könntest für dein und für mein Volk ein wichtiger Mann werden«, sagte der Sultan gemessen, wobei er Loukas prüfend in die Augen schaute.
Spielte Murad mit ihm oder sollte er wirklich gerettet werden?
»Wir haben durch Los einen Mann aus deiner Gesandtschaft ermittelt, der deine Kleidung angezogen hat und der an deiner Stelle hingerichtet wurde. Für meine Untertanen sieht es so aus, wie es aussehen soll. Ich kann mir nicht leisten, dass mich jemand für schwach hält.«
»Der Kopf des Botschafters wurde als Botschaft dem falschen Kaiser zurückgeschickt«, erklärte Halil Pascha.
»Hübsch, Halil, der Kopf des falschen Botschafters für den falschen Kaiser. Dann hat doch im höheren Sinne alles seine Ordnung«, stellte der Sultan zufrieden fest.
Im Herzen des Kapitäns tobten widerstreitende Gefühle. Er würde leben, er würde nach Hause zurückkehren, aber nur, weil ein anderer an seiner statt hingerichtet worden war. Er verdankte sein Leben dem Tod eines fremden Mannes, auf den wahrscheinlich auch eine Frau und Kinder warteten. Das machte ihn traurig und demütig zugleich. Er würde nach Hause reiten, aber mit einer schweren Last auf den Schultern.
»Die Männer deiner Gesandtschaft erwarten dich am Ausgang des Palastes«, sagte Halil.
»Eines Tages, vielleicht aber auch nie, werde ich deine Hilfe benötigen – dann leiste sie, ohne Wenn und Aber. Willst du das als Ehrenmann schwören?«, fragte der Sultan.
»Ich schwöre es, denn ich stehe in deiner Schuld«, erwiderte Loukas.
Murad nickte, dann verließ er mit Halil Pascha den Palast, setzte sich an die Spitze
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