Byzanz
Gottes Segen auf Euch.«
»Ich schwöre, dass alles, was Ihr mir mitgebt, Eure Familie erreichen wird!«
Sie verabschiedeten sich, und der Genuese versprach, am Nachmittag wiederzukommen. Loukas ließ sich Tinte, Feder und Papier bringen und machte sich schweren Herzens daran, die Abschiedsbriefe zu schreiben. Vor seinen Augen aber entfaltete sich das Leben, das er gehabt und das er eigentlich noch zu führen beabsichtigt hatte.
Am Nachmittag erschien wie versprochen Francesco Draperio erneut. Loukas übergab ihm die Briefe. Dann nahm er das Silberkreuz ab, das ihm Eirene geschenkt hatte, und reichte es dem Genuesen.
Loukas Notaras rang sichtbar um Fassung. »Gebt es meiner Frau. Tut dies bitte für mich.« Dann wandte er sich ab.
»Gott mit Euch, Loukas Notaras«, sagte Francesco Draperio leise in seinem Rücken und verließ fast lautlos den Raum.
Mehrere Tage blieb Loukas allein. Niemand besuchte ihn. Warum verlängerten sie seine Pein? Wenn sie ihn schon hinrichten wollten, weshalb dann nicht gleich? Worauf warteten sie noch? Nach qualvollen Tagen des Wartens auf die Hinrichtung erschien eines Abends ein Hofbeamter mit Kleidung und forderte ihn auf, die Hose, die Tunika und den Kaftan anzuziehen. Er wunderte sich, kam aber der Aufforderung nach. Der Hofbeamte griff nach seiner abgelegten Kleidung und verließ ihn wieder.
Mitten in der Nacht, als er endlich in den Schlaf gefunden hatte, wurde er von Halil Pascha geweckt, der mit vier Wachsoldaten plötzlich in seinem Gefängnis stand. Mit ernstem Gesicht forderte er ihn auf, ihm zu folgen.
Francesco Draperio erfüllte sein Versprechen und überbrachte die Abschiedsbriefe. Nikephoros blieb keine Zeit, die Seiten, die ihm sein Sohn geschrieben hatte, zu lesen. Er wurde dringend in den Palast gerufen.
Eirene wollte allein sein, sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, um Loukas’ Brief zu lesen. Sie war blass im Gesicht und wirkte durchscheinend, aber nicht nur, weil sie um das Leben ihres Mannes fürchtete, sondern weil sich das Kind in ihrem Bauch bemerkbar machte. Schließlich brachte sie nicht Eudokimos davon ab, nach Edirne zu reiten, sondern die Nachricht, dass sie schwanger war.
»Geliebte« , schrieb Loukas, »ich stehe tief in Deiner Schuld. Ich habe Dir ein gemeinsames Leben und Kinder, in denen wir fortleben wollten, versprochen, und nun sieht es so aus, als ob ich als Lügner und Schuldner von Dir gehe. Man will mich hinrichten, und ich habe wenig Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wenden wird. Der Kaiser hat mich als Gesandten zum Sultan geschickt, gleichzeitig ließ er den falschen Mustafa, der den Thron der Osmanen beansprucht, frei. Das stellt einen Anschlag auf das Leben des jungen Sultans dar. Bleibt Murad denn die Wahl? Kann er anders handeln, als dem falschen Kaiser den Kopf seines Botschafters vor die Füße zu legen? Alles andere würde ihm als Schwäche ausgelegt werden. Ich kann nicht glauben, dass Manuel davon wusste, und ich nehme es Johannes von Herzen übel, dass er mich in den Tod geschickt hat! Aber ich mag an all das nicht mehr denken, nicht an die Palaiologen, nicht an ihre ränkereiche Politik, nicht an Konstantinopel. Meine Gedanken sind jetzt bei Gott und bei Dir. Leider habe ich keine Bibel, sodass ich die Bußpsalmen, so gut es geht, aus dem Gedächtnis hersagen muss.
Geliebte, auch wenn uns nur so wenig Zeit vergönnt war, so wiegt doch jede Minute mit Dir schwerer als die beiden Jahrzehnte ohne Dich. Bitte sei für meine Familie da, für meine Mutter, meinen Bruder und meinen Vater. Er soll nicht streng, sondern nachsichtig mit Demetrios sein, denn Demetrios ist ein vielleicht etwas weicher, aber dennoch ein guter Junge. Ich habe euch alle von Herzen lieb, und nichts wird mich im Himmel davon abhalten, an eurem Leben Anteil zu nehmen und auch, so gut es von da oben geht, euch zu helfen und zu schützen. Denkt daran, dass ich immer bei euch sein und euch von dort beobachten werde.
Und Du, meine Geliebte, versprich mir, dass Du Dein Leben nicht in Trübsal zubringen, sondern nach angemessener Trauerzeit Dir einen guten Mann nehmen wirst. Ich habe meinen Vater und meine Mutter gebeten, es nicht nur zu akzeptieren, sondern Dir dabei zu helfen, denn durch unsere Heirat bist Du nun auch ihr Kind. Ich habe Dich geliebt, ich liebe Dich, ich werde Dich immer lieben!
Loukas.«
Der Brief glitt Eirene aus der Hand. Ihre Trauer wandelte sich in Wut, Wut auf den falschen Johannes, auf ihren Onkel, der ihr Glück
Weitere Kostenlose Bücher