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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Toren einen hohen Preis bezahlen«, sagte er und zeigte auf Alexios.
    »Werden wir nicht, Vater! Es ist das Alter, das dich ängstlich macht. Du solltest dich ausruhen. Überlass es mir!« Stille spannte sich im Saal aus. Alexios Angelos hörte seinen eigenen Pulsschlag.
    Manuel Palaiologos erhob sich. Sein Sohn hatte ihn vor einem Dritten gedemütigt.
    »Es ist meine Welt wohl nicht mehr«, stellte er resigniert fest und verließ den geheimen Besprechungssaal. Es schien ihm an der Zeit zu sein, die Kaisertoga mit der Mönchskutte zu tauschen. Das Modell des Palastes kippte er auf dem Plan der Stadt um. Der Kaiser hatte kaum den Raum verlassen, da ging Johannes auf den Fürsten zu und tätschelte ihm wohlwollend die Schulter.
    »Das hast du gut gemacht! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Den dürfen wir nicht verpassen. Wenn, dann bändigen wir die Osmanen jetzt und für alle Zeit. Was schlägst du also vor?«
    »Schickt mich mit ein paar Leuten meiner Wahl und etwas Geld zum Emir von Smyrna. Wir wollen sehen, wie wir helfen können.«
    »Aber hübsch vorsichtig. Offiziell sind wir neutral!«
    »Versteht sich«, grinste Alexios. Er verschwieg Johannes, dass er mit Mustafa ausgemacht hatte, für seinen Beistand im Krieg gegen Murad das Fürstentum Nikomedien zu erhalten, das nicht Konstantinopel unterstand und damit eine ideale Ausgangsbasis im Kampf um die Kaiserkrone der Rhomäer darstellte. Mustafas Sieg würde den Anfang vom Ende der Herrschaft der Palaiologen markieren! Der alte Kaiser schien das instinktiv zu spüren, aber Johannes vertraute nicht mehr seinem Vater, sondern ihm, Alexios. Bald schon würde die Stunde der Angeloi schlagen, und er, Alexios, ließ sich dafür auf ein großes und gefährliches Spiel ein. Doch das war es in seinen Augen wert, und überdies reizte es ihn. Das Leuchten in den Augen des Fürsten, das Johannes für Tatendrang hielt, war in Wahrheit Übermut.
    Am Nachmittag hatte der Kaiser Nikephoros Notaras zu sich in den Palast gebeten, genauer in seinen privaten Arbeitsraum, der einer Mönchszelle glich. Das stellte eine ungeheuere Ausnahme dar. Niemanden, nicht einmal seine Söhne oder seine Frau, auch nicht Johannes empfing Manuel hier. Sein weiß getünchtes Refugium maß höchstens fünf mal zehn Fuß, ausgestattet mit einem Bett, einem Schemel, einem kleinen Holztisch, einer Truhe mit Manuskripten und Büchern.
    Als Nikephoros eintrat, saß der Kaiser in einem einfachen Mönchsgewand über einen Text gebeugt. Ohne aufzusehen und bar jeder Betonung las er seinem Gast vor: »Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt ›der Tod‹; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.«
    »Wird es so schlimm kommen, Herr?«, fragte Nikephoros.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß auch nicht, wie es sich so entwickeln konnte. Mir fehlt es nicht an Kraft, auch nicht an Willen oder an Mut, dem, was unausweichlich auf uns zukommt, zu wehren. Ach, wofür muss ich in meinem Alter, welches das Ende bereits sehen kann, noch Mut aufbringen? Mir fehlt es an Ungehorsam.«
    Ein ungutes Gefühl beschlich Nikephoros. Wenn der Kaiser über Theologie zu sprechen wünschte, dann hätte er sich einen Gelehrten, von denen es treffliche in Konstantinopel gab, kommen lassen sollen. Was wollte er bloß von ihm?
    »Wieso an Ungehorsam? Ungehorsam könntet Ihr nur zu Gott sein, weil er der Einzige ist, der über Euch steht«, sagte er vorsichtig.
    »Du sagst es. Ich frage mich inzwischen, ob es Gottes Wille ist, dass wir untergehen werden. Und wenn es so wäre, wie könnte ich mich dann gegen Gottes Willen stellen – außer in einem unbegreiflichen Akt des Ungehorsams?«
    Nikephoros sah die Verzweiflung in den Augen des Kaisers, eine tiefe und gründliche Verlorenheit. Sie wog umso schwerer, weil Manuel Palaiologos die Welt kannte, die lateinische Welt bereist hatte und als Vasall von den Türken gezwungen worden war, mit den Osmanen gegen die Stadt Philadelphia, die von Griechen beherrscht wurde, zu kämpfen. Die Hoffnungslosigkeit des Kaisers resultierte nicht aus mangelndem Mut oder einem zur Depression und zu Melancholie neigendem Geist, sondern aus der einfachen, aber absoluten Tatsache, dass sein kluger Verstand im Kampf gegen die Vergeblichkeit ausblutete.
    »Es werden Kinder geboren und somit Hoffnung. Junge Männer treten an die Seite ihrer Väter, um deren

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