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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Werk fortzusetzen«, antwortete Nikephoros behutsam.
    Manuel lachte kurz und trocken auf. »Setz dich, mein alter Freund.«
    Als er Nikephoros’ suchenden Blick gewahrte, wies er mit seiner Hand auf die Pritsche. Und dann tat der Kaiser etwas, was noch nie vorgekommen und gleichzeitig so unerhört war, dass Nikephoros es für sich behalten wollte. Er löschte selbst den letzten Abstand, der zwischen einem Herrscher und seinem Untertanen bestand, indem er sich neben den alten Kaufmann setzte und ihn vertraulich und tröstend zugleich die rechte Hand auf die Schulter legte, so wie es einem Mönch, nicht aber dem Kaiser gebührte.
    »Du musst jetzt sehr tapfer sein, mein alter Freund«, begann Manuel. Dann berichtete er Nikephoros von der Gefahr, in der sein Sohn schwebte. Er beschönigte und verheimlichte nichts, bat aber seinen Gesprächspartner um Verschwiegenheit.
    »Du weißt, was das heißt«, schloss Manuel. »Murad kann den Gesandten nicht einfach laufen lassen oder zurückschicken, er muss dessen Körper als Botschaft benutzen. Das Leben deines Sohnes ist jetzt allein in Gottes Hand, und wir alle können dich jetzt nur um Verzeihung bitten, Bruder.«
    Als Nikephoros Notaras den Palast verließ, wirkte er um Jahre gealtert. Auf dem Rückweg begab er sich zum Studionkloster, um Demetrios, der dort die Schule besuchte, abzuholen. Ihn trieb das Bedürfnis, seine Familie in dieser schweren Stunde in seinem Palast zu versammeln. Im Kloster erwartete ihn allerdings eine böse Überraschung. Der Leiter der Schule eröffnete ihm, dass sein jüngster Sohn nur sehr selten die Schulbank drückte. Der Schlag saß. Demetrios hatte ihn belogen und an der Nase herumgeführt! Zornig verließ Nikephoros das Kloster. Ihm stand nicht der Sinn danach, dem Lehrer Vorhaltungen zu machen, dass er ihn nicht informiert hatte. Auch fehlte ihm die Kraft dazu. Eine Ahnung verriet ihm allerdings, wo er seinen Sohn finden würde.
    Eine halbe Stunde später stand er in der Werkstatt des Mönches Dionysios und starrte mit wachsender Wut auf den schmächtigen Jüngling, der Gold zum Malen für den Heiligenschein verflüssigte und der ihm zunehmend fremder vorkam. Die liebevolle Sorgfalt, mit der Demetrios behutsam die Handgriffe ausführte, wirkte auf den alten Seeräuber wie die brennende Lunte an einem Pulverfass. Der Sohn des Handelsherrn und kaiserlichen Dolmetschers Nikephoros Notaras als Gehilfe eines Malers! Wofür hatte er gearbeitet, die Firma zum Erfolg geführt, wenn sein eigen Fleisch und Blut Entzücken an niederen Arbeiten fand, ja sich freiwillig zum Diener eines lausigen Mönches hergab?
    Demetrios, der Blicke auf sich gerichtet fühlte, schaute auf und erschrak vor dem Zorn in den Augen seines Vaters. Er sprang auf und wollte sich, wie es kleine Kinder zu tun pflegen, wenn sie Schläge befürchten, unter eine Bank zwängen, als wäre sie eine Höhle, die dem übermächtigen Feind den Zutritt verweigerte. Nikephoros warf eine Tonschüssel, die er vom Tisch riss, nach ihm. Das Gefäß zerbrach in tausend Splitter, und Demetrios drückte sich noch enger an die Wand, als könne sie sich schützend um ihn schließen. Doch die Kraft seines Vaters reichte noch dazu aus, ihn unter der Bank hervorzuzerren, ihn am Arm zu packen und mit sich nach Hause zu ziehen. Die begütigenden Worte des Mönches hatte Nikephoros gar nicht wahrgenommen. Unterwegs sprach er kein Wort mit seinem Sohn, innerlich aber tobte der Orkan.
    Kaum hatte er die Tür des Palastes hinter sich zugeschleudert, da bearbeitete er Demetrios mit seinen großen Fäusten und, als er auf den Boden stürzte, mit Tritten. Dann stellte er ihn wieder auf die Beine, um erneut auf ihn einzuschlagen.
    »Dein Bruder riskiert sein Leben für die Familie, und du, du Nichtsnutz, versäumst die Schule, um mit Farben zu panschen!«, schrie Nikephoros.
    Die ganze Angst, die den Alten um seinen Lieblingssohn quälte, entlud sich als Rausch der Gewalt auf den armen, stillen Demetrios, der mit den Händen versuchte, sein Gesicht zu schützen, und heulte und vor Schmerzen und in Todesangst schrie. Die Wut seines Vaters, die unbarmherzig auf ihn einprügelte, empfand er als Hass auf sich. Und mit jedem Schlag traf ihn die Erkenntnis härter: Sein Vater liebte ihn nicht, sondern verachtete ihn, verabscheute ihn, den missratenen Sohn, den weder die Seefahrt noch der Handel noch die Politik, noch das Abenteuer reizte, der sich lieber in eine Mönchszelle zurückzog, um zu malen. Unter Schluchzen

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