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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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sein wollte. Das erste Mal in seinem Leben fühlte er sich nicht mehr einsam. Mochte kommen, was wollte, er hatte seinen Platz gefunden!
    Ihre Pferde führten sie an der Trense, die Hufe hatten sie zuvor mit Säcken umwickelt, um keine Geräusche zu verursachen. Auf Pfaden, die ihre Späher zuvor ausgekundschaftet hatten, näherten sie sich schweigend und beinahe lautlos wie Gespenster dem türkischen Belagerungsring. Den einen oder anderen Wachtposten hatten sie inzwischen, um den Weg freizumachen, in die Hölle geschickt. Allerdings erleichterte ihnen die Sorglosigkeit der Türken, die mit Feinden in ihrem Rücken nicht rechneten, das blutige Geschäft. Die ganze Aufmerksamkeit der Posten galt der Stadt, um Flüchtende und Spione zu fassen oder einen Ausfallversuch der Belagerten rechtzeitig zu melden. Dabei ärgerten sie sich darüber, dass ausgerechnet sie das Los getroffen hatte, Wache zu schieben, anstatt im Feldlager mitfeiern zu können. Die Fröhlichkeit, die Gesänge und die Musik, die Tänze und das Gelächter, das aus dem türkischen Biwak drang, hallte weithin über die Ebene, brandete gegen die Wehrmauern und wurde zurückgeworfen ins Lager der Osmanen. Gegen den lauten Frohsinn der Türken wirkte die alte Stadt mit ihren stummen Mauern erhaben und melancholisch zugleich.
    Sultan Murad II. hatte seine Streitmacht weiter südlich konzentriert, zwischen dem Blachernae-Tor und dem Rhesios-Tor, und sich darauf beschränkt, den Küstenstreifen am Goldenen Horn durch spärlich aufgestellte Wachen und gelegentliche Patrouillen zu sichern. Sein Plan sah vor, an drei Punkten in die Stadt einzufallen. Eine Angriffsspitze sollte Blachernae nehmen und anschließend die Paläste stürmen, eine andere durch das Charisius-Tor und weiter auf der Hauptstraße bis zur Hagia Sophia vordringen und die dritte schließlich im Süden das Rhesios-Tor erobern, um über die südliche Magistrale die Hagia Sophia zu erreichen. Alle drei Heeresgruppen würden sich dann nach der Vorstellung des Sultans vor der wichtigsten Kirche von Konstantinopel vereinen. Vielleicht bestand in der Eroberung der Hagia Sophia Murads eigentliches, sein innerstes, geradezu intimes Ziel, vielleicht sah er darin, dass er diese Kirche, die aller Welt als Symbol des orthodoxen Christentums galt, seinem Gott weihte, den reinen Ausdruck der Dankbarkeit Allahs gegenüber, der ihm durch alle Fährnisse die Treue hielt.
    Die Ritter hatten ihr Ziel fast erreicht, da näherte sich ihnen zwischen dem Kloster und Konstantinopel ein türkischer Reitertrupp, den die zwanzig Bogenschützen jedoch rasch niederstreckten. Einen kurzen Moment lang zerrissen das Surren der Pfeile in der Luft und das dumpfe Geräusch fallender Körper die Stille. Dieser Lärm ging allerdings im Tumult osmanischer Fröhlichkeit unter. Die Schützen erlegten zielsicher Reiter und Tier, um kein Risiko einzugehen. Die ersten Toten in der Schlacht waren Murads Männer, stellte der Fürst befriedigt fest. Mochte Gott geben, dass es so bliebe!
    Der Anblick des Wehrgrabens und der dreifachen Stadtmauer beruhigte Alexios. Würdevoll wirkten sie, unüberwindlich. Sie würden, sie mussten standhalten. Rechter Hand erhob sich die Seemauer, die, vom Goldenen Horn geschützt, nur aus einem zinnenbewehrten Wall bestand. Auf dem schmalen Streifen zwischen Ufer und Mauer vor diesem Wall drängten sich ein paar Vorstädte. Wenige Schritte trennten sie noch vom Kolliomene-Tor. Fackeln wurden durch die Zinnen geworfen, um das Vorfeld zu beleuchten. Eine Sturmglocke läutete. Aus dem Wirrwarr der Rufe und des Geschreis stieß immer wieder das Wort »Alarm« hervor. Soldaten, wehrhafte Männer aus allen Schichten, darunter auch Genuesen, Venezianer und Anconitaner, die sich freiwillig zum Wachdienst gemeldet hatten, bevölkerten die Mauer. Sie hatten sie entdeckt.
    Alexios musste damit rechnen, dass gleich ein Pfeilregen auf sie niederprasseln würde, deshalb brüllte er, so laut er konnte, auf Griechisch: »Fürst Alexios Angelos bittet mit zweihundert christlichen Rittern um Einlass!« Die Unruhe vergrößerte sich. Noch einmal brüllte er den Satz, so laut er konnte.
    »Seid Ihr das wirklich?«, sprang eine offensichtlich überbeanspruchte, schwache Stimme in den Diskant.
    »Schießt nicht, ich komme allein zum Tor!« Alexios ging langsam zur kleinen Pforte neben dem großen Portal. Er hörte das schabende Geräusch eines Eisenriegels. Balken, die schräg in den Boden gerammt gegen die Tür drückten,

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