Byzanz
erfahre es ohnehin, dann möchte ich es lieber von dir hören.« Eirene hatte aufgehört zu lächeln und sah ihn fest an.
»Murad belagert die Stadt.«
»Ich weiß.«
»Woher?«, entfuhr es ihm überrascht.
Sie machte nur eine vage Handbewegung. »Die Dienstboten. Ist das so wichtig?«
»Nein, natürlich nicht. Ich muss nach Bursa reisen. Mustafa will sich mit uns verbünden.«
»Denkst du manchmal auch an uns?«
»Ich reise dorthin, weil ich an euch denke. Eudokimos hält im Hafen die ›Nike‹ seetüchtig. Sollten die Türken die Stadt stürmen, läuft die Galeere mit euch an Bord aus. Mein Vater und Eudokimos sind auf den schlimmsten Fall vorbereitet.«
Sie schüttelte den Kopf. »So meine ich es nicht. Ich zweifele nicht daran, dass du für uns Vorkehrungen triffst.« Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Was ist, wenn dir etwas passiert? Was wird dann mit uns, mit unserem Leben?«
Vorsichtig, um ihr nicht wehzutun, umarmte er sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Mir passiert nichts. Eure Liebe schützt mich, aber es ist nun einmal die beste Chance, die wir haben.«
»Wenn das die beste ist, möchte ich die anderen gar nicht erst kennen!«
»Sorge dich nicht«, rief er ihr von der Tür aus noch zu. Und hoffte inständig, dass es bei Weitem gewisser klang, als ihm zumute war. Dann war er bereits auf dem Weg zum Schiff.
52
Vor Konstantinopel
Mond und Sterne strahlten um die Wette bei dem Versuch, die Nacht taghell zu tünchen, als ob sie es geradezu darauf abgesehen hätten, die Männer zu verraten, die durch die feindlichen Linien schlichen. Deshalb trugen die Ritter dunkle Mäntel. Ihre Helme hatten sie mit Tüchern bedeckt, um das verräterische Blinken des Metalls im Mondlicht zu verhindern.
Bei allen widrigen Umständen und aller Tarnung lag ihr Schicksal letztlich in Gottes Hand, der nach seinem unbegreiflichen Ratschluss über Gelingen oder Scheitern bestimmte. Zweihundert Ritter samt Knappen und zwanzig Bogenschützen aus Ungarn, Polen, Rumänien und den deutschen Landen tasteten sich mit Johann Hunyadi und Alexios Angelos an der Spitze entlang der Küste des Goldenen Horns zum belagerten Konstantinopel. Wenn man wie diese Männer die Gefahr an Leib und Seele oft genug erlebt hatte, dann stellte sich eine Art Routine im Umgang mit dem Risiko ein, die darin bestand, nach bestem Wissen zu handeln und ansonsten seine Seele Gott zu empfehlen. Diesmal jedoch ritt die Männer die schiere Unvernunft, denn dorthin zu gehen, wo niemand sein wollte, in eine belagerte Stadt, konnte man nur tollkühn nennen. Sie mussten verrückt sein, und genau das waren sie auch – aus dem einfachen Grund, weil sie als Ritter handelten, so wie man sie kaum noch im Abendland fand.
Geld und Luxus zerfraßen mittlerweile wie der Krebs Ehre und Anstand. Ehre aber und Anstand begründeten das Rittertum, wenn sie verlacht und ignoriert wurden, verlor die Gesellschaft das, was sie trug. Viele eitle Gecken nannten sich inzwischen Ritter und blieben trotz aller Prahlerei nur reiche Schnösel.
Aber dennoch gab es sie noch, die wirklichen, die echten, die wahren Ritter, diejenigen, die für Gott, die Ehre und ihre Dame kämpften. Unter seinem Harnisch trug Alexios vor seinem Herzen ein Tuch von Barbara, das sie absichtlich im Forsthaus zurückgelassen hatte. Immer noch hing in der Seide ihr Duft nach Veilchen, Thymian und Milch. Wenn ihn die Sehnsucht überkam, und sie beherrschte jede ruhige Minute, roch er heimlich an dem Tuch, schloss die Augen und fühlte sich wieder in ihren Armen, zwischen ihren Schenkeln. Nichts erschien ihm wirklicher auf der Welt als ihr Geschmack. Die Knospen seiner Zunge würden ihn niemals vergessen. Niemals zuvor im Leben hatte er erlebt, dass jede Meile zwischen ihm und einer Frau physische Qualen schuf, als prügelten Eisenstangen seinen Körper durch. Spürte er aber seine lahmen Knochen und sein erschöpftes Fleisch im Hautsack, grinste er plötzlich so erbarmungswürdig-glücklich, weil die Empfindung den Schmerzen glich, die ihm wie ein Gruß von ihr blieben, wenn sie ihn nach durchkämpfter Liebesnacht im Morgengrauen verließ, in den Tag entschwand, der sie trennte.
Die Erkenntnis erschreckte Alexios, aber er nahm sie an, denn sie spendete Trost, wie er sein Schicksal akzeptierte, weil er inzwischen nur noch glaubte, tatsächlich zu leben, wenn er ihren Körper spürte oder auf Leben und Tod kämpfte. Daneben existierte für ihn keine Wirklichkeit mehr. Davon, dass im Altertum häufig
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