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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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die Göttin der Liebe auch als die Göttin des Krieges galt, wusste er nichts. Aber er stellte sich vor, dass der Krieg wie die Liebe sich als ein Kampf auf Leben und Tod gestalteten. Und er genoss diese Vision. Am Ende würde immer einer auf der Kampfbahn liegen bleiben, und er wollte dafür sorgen, dass es für lange Zeit nicht er selbst sein sollte. Solange die Kraft und das Glück dafür ausreichten, würde er das Schicksal abwenden. Bis zu dem Tag, an dem Gevatter Tod vor ihm stünde, ihm den Arm um die Schulter legen und sagen würde: »Alexios, die letzte Schlacht ist geschlagen. Die Toten rufen dich.«
    In seinem Herzen dankte er Gott dafür, dass er ihm die letzten Ritter zugeführt hatte. Er liebte diese Kämpfer, die er kaum und auf andere Art doch so gut kannte, gleich, aus welchem Landstrich sie stammten. Scheu blickte er von einem zum anderen, denn sie waren nicht die Männer, denen man straflos ins Gesicht starrte wie einer Jahrmarktsattraktion. Klare Gesichter, manchmal etwas einfältig, doch entschlossen, nicht immer die hellsten, aber stets die verlässlichsten, die letzten, die das Geschäftemachen und Schachern verachteten und mit ihrem Leben für ihren Glauben und für ihre Tugend einstanden, Dummköpfe, reine Toren in Christo, Drachenritter eben. Verlacht von den Mächtigen der Kirche und gleichzeitig von ihnen gefürchtet.
    Mit dem einen oder anderen hatte sich Alexios unterwegs unterhalten. Zuweilen half Johann Hunyadi und übersetzte, weil nicht alle Ritter Latein sprachen. Aber darauf kam es nicht an.
    Für den gleichaltrigen Otto von Weißenfels, der als jüngster Sohn eines thüringischen Freiherrn vom Erbe ausgeschlossen und deshalb in ein Kloster gesteckt worden war, empfand er eine tiefe Sympathie, weil er in ihm jene Unbedingtheit entdeckte, die auch ihn antrieb. Am Mönchsleben hatte der deutsche Haudegen natürlich kein Gefallen gefunden. Er war ausgebüxt, hatte sich als Knappe eines böhmischen Ritters verdingt und war schließlich von Sigismund zum Ritter geschlagen worden. Auf einem Turnier hatte er Johann Hunyadi kennengelernt, dem er von nun an folgte. Der Feldherr sorgte dafür, dass Otto von Weißenfels in den Drachenorden aufgenommen wurde.
    Daran hatte er recht getan, denn der Thüringer machte durch seine Tugend dem Orden alle Ehre. Manchmal holte der kräftige Ritter, der selbst Alexios um einen Kopf überragte, abends am Lagerfeuer seine Fiedel heraus. Das Instrument nahm sich in seinen großen Händen wie ein Kinderspielzeug aus. Es kam einem Wunder gleich, dass seine mächtigen Pranken die zierlichen Saiten präzise trafen. Dazu sang er im heiseren Bariton mal lustige, mal schwermütige Lieder, deren Texte in der für griechische Ohren fast gebellten Sprache Alexios nicht verstand. Eine Weise, die Otto oft anstimmte, ließ sich der Fürst übersetzen, weil das Lied ihm gefiel. Er lernte den Text in der fremden Sprache in der Hoffnung auswendig, eines Tages damit Barbara überraschen zu können:
    »Ich freu mich noch der lieben Stund,
    da sie zum Diener mich erkor,
    des heiaho!
    Und hoff, ihr rosenroter Mund
    zieh aus den Sorgen mich empor,
    dem sei also!
    Herz, Geist und Sinn, die lieben sie mit Fleiße,
    wie fern ich bin; juchei, die Wunderweiße!
    O liebste Puppe, meiner Freuden Wipfel,
    du liebst mich bis zum allerletzten Zipfel!«
    All diese Ritter, die in der Runde saßen, hofften, eines Tages eine Baronie, vielleicht sogar eine Grafschaft oder zumindest genügend Ruhm zu erobern. In ihrer Vorstellung verschmolzen die Jungfrau Maria und Fortuna zu einer Göttin, für die sie eine feste Bezeichnung verwandten. Sie nannten sie schlicht ihre hohe Dame.
    Etwa eine dreiviertel Meile von Konstantinopel entfernt erhob sich vor ihnen das Kloster der Heiligen Kosma und Damian düster und streng wie der Hüter der Pforte zum Allerheiligsten in der Dunkelheit. Nur die vier Bronzekuppeln, die mit dem Licht des Mondes kühl Unzucht trieben, leuchteten in die Welt. Bei diesem Anblick durchströmte Alexios auf einmal der Stolz, zu den letzten Rittern zu gehören. Vielleicht fand mit dieser kleinen Schar die Welt zu ihren Ursprüngen zurück, zu dem, was gut und richtig war. Vielleicht aber würde eine neue Zeit sie auch gnadenlos aussortieren, ganz gleich, mit ihnen untergehen oder siegen. Dieser Gedanke erfüllte Alexios. Er hatte die Frau gefunden, mit der er zwar nicht leben konnte, die ihn aber glücklich machte, und er hatte die Männer getroffen, in deren Gesellschaft er

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