Byzanz
mit aller Gewalt seinen Ellbogen in die Seite, sodass dem Schergen die Luft wegblieb. »Sag das nie wieder über meinen Hund, wenn du nicht willst, dass ich dich eines Tages an deinen Gedärmen aufhänge!«
Statt ihn zu schlagen, schluckte der Anführer. Erst jetzt nahm der Fürst die Verunsicherung des Vierschrötigen wahr.
»Was habt ihr mit Clara gemacht?«, fuhr er ihn an.
»Warn nicht dabei«, murmelte der Anführer wie einer, der, wenn er auch nicht zugegen war, dennoch Bescheid wusste.
Der große Raum gegenüber der Zelle beherbergte die Folterinstrumente. In Schäften an der Wand staken brennende Fackeln. Drei Folterknechte, offensichtlich ein Meister mit seinen Gehilfen, erwarteten ihn bereits. In der Ecke lag, was von Clara übrig geblieben war, eine rote Masse, in der Stofffetzen hingen, ein geschundenes Stück Fleisch.
»Gott zum Gruße«, sagte der Schmerzensmeister geschäftsmäßig, als träfe man sich auf dem Markt. »Herr, verübelt es mir nicht, aber ich habe die Aufgabe, Euch für die hochnotpeinliche Befragung …«
Weiter kam er nicht, denn die Faust des Fürsten krachte durch seine Zähne, dass sie splitterten und ein Blutschwall aus seinem Mund schoss. Mit diesem schnell erfolgten Angriff hatte keiner der Büttel und Folterknechte gerechnet, die sich nun auf Alexios stürzten. Wie ein Tier schlug er um sich. Schließlich gelang es den Schergen, ihn niederzuringen, ihm die Arme auf dem Rücken zu fesseln und ihm die Kleidung vom Leib zu reißen. Aber sie hatten alle ordentlich einstecken müssen.
Nackt, wie er war, führten sie ihn zu einem Seil, das über eine Rolle an der Decke hing. Sein Blick fiel auf die Streckbank, die noch feucht von Blut war. Der Foltermeister spülte sich den Mund aus. Hass schoss aus seinen Augen. Die Männer des Vierschrötigen, die Alexios geholt hatten, verließen den Raum. Einer der beiden Folterknechte, ein Untersetzter mit absonderlich langen Armen, schlang das Seil um die Fesselung des Fürsten. So waren sie also mit Clara umgegangen!
»Dafür werdet ihr bezahlen!«, brüllte der Fürst in viehischer Wut. Angst fühlte er nicht, nur Schuld an dem Tod dieser jungen Frau. Ihm war, als sei etwas von ihm mit ihr gestorben. Er hatte es gar nicht gemerkt, wie sie in den letzten Jahren zu einem Teil seines Lebens geworden war.
Der Schmerzensmeister näherte sich dem Fürsten mit einem spitzen Widerhaken. Seine Gesellen riefen ihm zu: »Tut das nicht, Meister. Wir würden alle dafür bezahlen müssen!« Der Mann blieb stehen und spuckte einen Zahn aus. Man sah ihm an, wie gern er den Haken benutzen würde. In seinem ledernen Gesicht spiegelten sich noch immer die Schmerzen wider, die er empfand. Das Schlagen von Türen hallte in den Keller. Der Meister nickte widerwillig und legte den Haken beiseite. Dann zog er an dem Seil, sodass Alexios auf den Zehenspitzen tänzelte.
Ein baumlanger Mann mit einem spitzen Bart und blonden Locken, die ihm bis auf die Schultern fielen, betrat mit energischem Schritt den Raum. Sofort änderte sich die Temperatur in dem Folterkeller, alle wurden eifrig, unsicher, hektisch. Es war, als ob ein Halbgott, den alle fürchteten und zugleich verehrten, sich zu ihnen begeben hatte.
Alexios vermutete, dass Sigismund vor ihm stand, der römische und ungarische König. Er spürte die kalten Spitzen des Wahnsinns, die durch den Schädelknochen in sein Hirn stießen, und nahm als Letztes die Unfähigkeit wahr, sich dagegen zu wehren. Zuweilen ähnelte sich der Ausdruck des Schmerzes und des Lachens im Gesicht eines Menschen, so wie jetzt bei ihm.
»Verzeiht, Majestät, dass ich mich gerade nicht verbeugen kann«, sagte er mit sardonischem Lächeln. Irgendwann musste es dazu kommen, irgendwann musste der Verrat den Weg zum Ohr des Königs finden. Damit hatte er immer gerechnet, aber nie darüber nachgedacht. Wie ein Beil traf ihn die Erkenntnis, dass er für Claras Tod verantwortlich war. Zum ersten Mal in seinem Leben verletzte ihn die tiefe Ungerechtigkeit der Welt.
Der König betrachtete ihn kühl und interessiert wie ein Insekt. »Ihr scheint bei bester Laune zu sein, mein Herr Dieb.«
»Ich habe mich selten so amüsiert, Herr König, und sogar auf Eure Kosten, mein spendabler Herr«, erwiderte Alexios von allen guten Geistern verlassen trotzig.
»Na, da will ich Euch doch zu Willen sein, wie Ihr es von meiner Familie gewöhnt seid. Wir sind doch alle nur zu Eurer Unterhaltung auf der Welt«, erwiderte der König düster und machte
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