Byzanz
verabschiedeten sich ohne Widerspruch. Nur Moische fragte auf Hebräisch: »Kann ich nicht beim Vater bleiben und bei unserem Gast?«
Doch Deborah schüttelte sanft und zugleich entschieden den Kopf. »Nein, mein Sohn, du kannst gern noch ein wenig lesen, nur hierbleiben kannst du nicht, denn jetzt reden die Männer miteinander.«
»Eine wunderbare Familie habt Ihr«, sagte Loukas, nachdem sie allein waren.
Jakub lächelte. Das Schmunzeln des Hausherrn bewies den alten Satz, dass nur die Juden wirklich den Wert der Familie kennen.
»Ihr seid jung genug, um mir erfolgreich nachzueifern.«
»Und bei Gott, das werde ich tun.«
»Aber deshalb seid Ihr nicht gekommen, und auch nicht, um Handelsbeziehungen anzuknüpfen, über die ich mich natürlich sehr freue. Also sprecht frei heraus.«
»Ich möchte sehr gern die Söhne des Sultans kennenlernen und benötige Hilfe dabei.«
»Und Ihr meint, ich könnte Euch helfen?«
»Nun, wenn schon nicht helfen, so doch raten – und allein das wäre schon eine große Hilfe.«
»Der Sultan behält schon aus Sicherheitsgründen nie seine Söhne an einem Ort. Deshalb lebt nur Mustafa, der Liebling Mehmeds, in Bursa. Murad aber ist Verwalter von Amasia.«
Loukas unterdrückte einen Fluch, denn diese Tatsche würde seine Mission beträchtlich verlängern, wo er doch nichts stärker wünschte, als so rasch wie möglich nach Konstantinopel heimzukehren. Zumindest wusste er jetzt, weshalb Johannes so maliziös gelächelt hatte, als er ihm diesen Auftrag erteilte. Er war Ehre und Strafe zugleich.
Aber Jakub gönnte ihm keine Ruhe für Überlegungen. »Was wollt Ihr von den Söhnen? Murad ist siebzehn Jahre alt, Mustafa dreizehn. Und der Herr ist Anfang vierzig, wird also noch eine lange Zeit regieren, so Gott will.«
»Dennoch wird einer von beiden Mehmed eines Tages in der Herrschaft folgen. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun bekomme.«
»Ihr?« Jakub lächelte skeptisch. Er hatte Loukas durchschaut.
»Ja, ich. Denn ich muss wissen, ob es klug ist, unser Handelshaus nach Osten auszurichten.«
Jakub hob lächelnd die Hände, als wolle er sagen, letztlich liege doch alles in Gottes Hand. Dann ließ er sie sinken und sein Gesicht wurde ernst.
»Da der Sohn des Sultans kein seltener Vogel ist, den man in einem Käfig besichtigen kann, bedarf es eines Vorwandes. Denn glaubt mir, Ihr mögt zwar schlecht informiert sein, der Sultan ist es nicht. Er hat an allen Höfen des Abendlandes, in Konstantinopel, in Venedig, Genua und Florenz, seine Informanten.«
»Habt Ihr eine Idee?«
»Schwört, dass Ihr keine üblen Absichten hegt, die meine Familie und mich in Schwierigkeiten bringen könnten.«
»Ich schwöre bei Gott und der Jungfrau Maria.«
26
Auf dem Weg nach Edirne, Rumelien
Sie folgten dem Tal, das der Fluss in die Berge gegraben hatte, lange bevor Menschen lebten. Die Sonne berührte bereits die Kammlinie. Bald schon würden sie einen Platz für die Nacht suchen. Alexios Angelos schwieg düster. Keiner seiner Leute wagte, ihn anzusprechen. Es verdross ihn, dass er seinen Instinkten nicht vertraut hatte. Wider besseres Wissen hatte er sich leichtfertig und dumm verhalten. Der Kuss der Macht brannte auf seinen Lippen wie ein glühender Vorwurf.
Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten sie schließlich ein armseliges Bergdorf. Die Türken kannten sich hier offensichtlich gut aus. Sie quartierten sich bei den Bauern ein, die sie auch zu verköstigen hatten, nur die niederen Chargen, für die kein Bauernbett oder kein Platz in einer Kate mehr zur Verfügung stand, nächtigten in einer der Scheunen. Die Mannschaft war müde, es kam zu keinen langen Gesprächen, Gesängen oder Tänzen am Lagerfeuer. Sie sattelten lediglich ihre Pferde ab, kümmerten sich um die Tiere, aßen und legten sich dann zum Schlafen nieder.
Alexios wurde mit seinen Männern separat in einer Scheune am Ortsausgang untergebracht. Nur zum Essen hatte man ihnen die Fesseln abgenommen. Als demütigend empfand der Fürst, unter Aufsicht seine Notdurft verrichten zu müssen.
Zur Nacht fesselte man sie jeweils zu zweit an die Pfähle der Scheune. Zwei Bewacher, die sich abwechselten, hatten ein Auge auf die Gefangenen. Als der Fürst, der ein unwiderstehliches Bedürfnis nach Bewegung verspürte, seine Finger in den Boden der Scheune grub, fand er im Staub eine abgebrochene, verrostete Messerklinge. Er dankte Gott für den Zufallsfund in großer Not. Die Vorsehung stand also auf seiner Seite. Heimlich
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