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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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der Straße im Schatten einer Platane und beobachtete die Muslime, die zum Gottesdienst strömten.
    Zwei Tage später erreichte ihn eine Einladung des Verwalters Ilyah Pascha, des Hofmeisters des Prinzen. Sie tranken zu dritt in einem Pavillon Tee, der Prinz, der Hofmeister und der Kapitän. Der Prinz, ein hübscher Junge mit großen schwarzen Augen und einem wilden Lockenkopf, fragte ihn nach dem Abendland aus, nach Genua, nach Venedig, nach Konstantinopel. Mustafa erwies sich als höflich, gebildet und neigte zu Träumereien. Er liebte die Geschichten über Sindbad den Seefahrer und kannte die Abenteuer des Hajj ibn Jaqzan, der nach einem Schiffbruch viele Jahre auf einer unbewohnten Insel zubrachte, wohl auswendig. Das Gespräch plätscherte angenehm in den warmen Nachmittagsstunden dahin.
    Ilyah Pascha begleitete den Kapitän nach der Audienz durch den Garten zum Ausgang. Beim Abschied sagte der Hofmeister: »Ich könnte die schützende Hand über Eure Geschäfte bei uns halten. Wenn Ihr das wünscht, gebt Herrn Jakub Bescheid, er wird alles regeln. Ach, Herr Kapitän, eines noch, im Vertrauen gesprochen.« Ilyah Pascha senkte die Stimme, obwohl sie auf dem Weg unter sich waren und die Wachen am Tor sich in ausreichender Entfernung befanden. »Vergesst Mustafa Pascha nicht, er könnte eines Tages ein wertvoller Verbündeter des Kaisers sein. Murad ist zwar als Nachfolger gesetzt, doch kennen wir Gottes Plan? Mehmed hängt stärker an seinem Zweitgeborenen. Vielleicht braucht Euch Mustafa, vielleicht braucht aber auch Ihr Mustafa? Gott will Frieden. Türken und Rhomäer müssen einander nicht bekriegen. Salam aleikum , Herr Kaufmann.«
    » Aleikum salam , ehrenwerter Ilyah«, antwortete Loukas und verbeugte sich mit einem freundlichen Lächeln in den Augen. Es schien ihm trotz der Tarnung als Handelsmann geradezu an die Stirn geschrieben zu stehen, dass er in politischer Mission reiste. Ilyah Pascha schien zumindest ein Mann mit großen Ambitionen und einem wachen Geschäftssinn zu sein.
    Beim Abschiedsessen am Abend vereinbarte er mit Jakub Alhambra, dass der Jude ihn in einem halben Jahr in Konstantinopel besuchen und dabei eine Ladung gefärbter Stoffe, gefärbten Garns und Seide mitführen würde. Seinen ältesten Sohn Moische wünschte er mitzubringen, damit er im Kontor der Notaras in die Lehre gehen konnte. Jakub hielt eine Ausbildung seines Sohnes in der fremden Metropole für eine gute Investition.
    Von seinem Vater hatte Loukas gelernt, dass man, auch wenn man im Auftrag des Kaisers unterwegs war, niemals die Geschäfte der Familie Notaras vernachlässigen durfte, schließlich bezahlte der Kaiser selten und allenfalls symbolisch die Ausführung seiner Aufträge. Man musste sich die Gunst des Kaisers eben auch leisten können.
    Bevor er sich zur Nachtruhe zurückzog, stellte er seinem Gastgeber eine Frage, die ihn, seit er in Bursa eintraf, immer stärker beschäftigte: »Würdet Ihr lieber in Konstantinopel leben?«
    »Ihr meint unter der Herrschaft der Christen?« Loukas nickte.
    »Nein. Meine Familie hat keine guten Erfahrungen mit den Christen gemacht. Vor knapp einhundert Jahren haben wir die schöne Stadt Straßburg verlassen müssen und hier nach langer Wanderung schließlich eine neue Heimat gefunden. Von einem Tag auf den anderen wurden unsere lieben, christlichen Nachbarn zu unseren ärgsten Feinden. Sie fielen über uns her, erschlugen, erhängten, ersäuften, verbrannten und beraubten uns.«
    »Warum?«
    »Sie bildeten sich ein, dass wir mit dem Teufel im Bunde stünden und die Brunnen vergifteten. Ihr müsst wissen, damals wütete der Schwarze Tod in deutschen Landen, und uns gab man die Schuld an dem großen Elend. Aber Juden starben wie Christen, Christen wie Juden. Die Pest unterschied nicht zwischen den Glaubensrichtungen. Meine Vorfahren hatten Glück, sie konnten zumindest ihr nacktes Leben retten.«
    »Ist es denn unter den Muslimen so viel besser?«
    »Niemand will mich hier bekehren, ich muss mir keine Predigten anhören, Pogrome brauche ich nicht zu fürchten, niemand sieht mich scheel an, weil wir Juden Christus getötet hätten, das Einzige ist, dass ich eine Steuer zahle, und kann dafür frei leben und handeln. Aber freilich, am besten wäre es natürlich in Jerusalem.« Jakub nickte seinem Gast zu, verwies darauf, dass es schon spät wäre, und zog sich zurück.
    Loukas aber dachte die halbe Nacht über die Worte des Juden nach. Lateiner waren über die Juden hergefallen,

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