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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Diener, den Verrat. Amen!«
    Alexios misstraute den Dorfbewohnern und blieb bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Baum sitzen. Als er herunterklettern wollte, spürte er, dass ihm die Beine eingeschlafen waren. Wie ein Affe hangelte er sich an den Ästen hinab. Auf dem Erdboden angekommen, knetete er seine Füße und Beine, versuchte zu gehen, fiel um, versuchte es wieder, bis aus dem tauben Gefühl ein Stechen, aus dem Stechen ein Kribbeln wie von tausend Ameisen wurde, das schließlich verging.
    Nur seine Seele blieb benommen. Er schlich aufmerksam die Umgebung beobachtend zum Grab seiner Leute. Niemand war zu sehen. Die Dörfler schliefen wohl schon in ihren Katen.
    Auf dem menschenleeren Friedhof, der im blau-bleichen Licht des Mondes lag, nahm er Abschied von seinen Männern, fiel auf die Knie und bat sie alle der Reihe nach um Verzeihung. Dabei spürte er, wie die Kälte in sein Herz drang. Dann machte er sich auf den Weg. Unterwegs trank er aus einer Quelle und schlang Pilze und Beeren in sich hinein.
    In einer kleinen Höhle schlief er von Albträumen gepeinigt ein paar unruhige Stunden, bis ein Knistern ihn weckte. Er öffnete die Augen und blickte in zwei kleine böse Augen. Ein Bär, der sich darüber zu wundern schien, wer es sich in seiner Höhle bequem gemacht hatte. Alexios nahm den Säbel, bewegte sich aber sehr ruhig und betont langsam, das Tier nicht aus den Augen lassend. Der Räuber machte einen Schritt zurück, so als wolle er ihn aus der Höhle lassen. Dann griff er ihn an. Alexios hieb den Säbel in den Leib des Bären, der brüllte und sich zur vollen Größe aufrichtete. Mindestens um einen Kopf überragte er den Fürsten. Der stieß das Schwert immer wieder in den Körper des rasenden Tieres. Der Bär schlug mit seiner Pranke Alexios das Schwert aus der Hand, doch dann taumelte er, strauchelte, brummte mit todwunder Stimme ein verfliegendes Stakkato und begrub Alexios unter seinem mächtigen Leib.
    Der Schmerz wollte sich in einem Schrei entladen, doch er unterdrückte ihn mit einer Willensanstrengung, die seine Kraft fast überstieg. Er fürchtete, eine Patrouille aufmerksam zu machen. Tränen traten ihm dabei vor Anspannung in die Augen. Das Gewicht des riesigen Tieres drohte ihn zu zerquetschen. Mit ganzer Kraft drückte er gegen den Leib, um sich mit einer schlängelnden Gegenbewegung hervorzuziehen. Dabei floss das Blut des Bären aus seinen Wunden auf Kopf, Hals und Oberkörper des Fürsten. Er verschluckte sich sogar daran. Es schmeckte metallisch, süß und trocken zugleich. In dem Kampf fühlte er, wie die Kraft und die Seele des Tieres auf ihn übergingen. Schließlich glückte ihm die Befreiung. Als Letztes zog er seinen rechten Fuß unter dem Fleischberg hervor. In der Klinge des Säbels, die beim Kopf des Tieres lag, spiegelten sich die herausquellenden Augen des Kadavers. Alexios steckte seinen Säbel ein und starrte eine unbestimmte Zeit in die erloschenen Pupillen des Räubers, als hielte er Zwiesprache mit dem Tier. Bruder Bär, dachte er mit einer Zärtlichkeit, die ihn überraschte. Dann schnitt er mit einer Selbstverständlichkeit, als habe ihn die Seele des toten Bären dazu aufgefordert, die Seite des Tieres auf und entnahm ihm die Leber, die er roh und mit geradezu tierischem Heißhunger verschlang. Sie war noch warm. Dabei fiel ihm ein Stück von dem Organ seines Opfers aus dem Mundwinkel auf den Waldboden. Sofort fielen Ameisen darüber her. Er schnappte sich das Stück, wischte die Ameisen von dem Fleisch und steckte es gierig in den Mund. Blut rann über seine Lippen, lief über sein Kinn und tropfte auf seine Kleidung, aber die war ohnehin nass vom Lebenssaft des Bären. Er fühlte sich jetzt dem toten Raubtier sehr nahe. Nichts würde ihm je zustoßen können. Von diesem Augenblick an hielt er sich für unverwundbar. Er hatte den Kuss der Macht mit dem Blut der Kreatur getauft.

27
    Bursa, Anatolien
    Den jungen Mustafa bekam Loukas zum ersten Mal zu Gesicht, als der Prinz zum Freitagsgebet in die Grüne Moschee ging. Obwohl an ihr noch gebaut wurde, galt sie jetzt schon als das schönste Gotteshaus in Bursa, vielleicht sogar im ganzen Reich der Osmanen. Jakub hatte ihm erklärt, dass die Osmanen mit dieser Moschee sich das erschaffen wollten, was die Christen mit der Hagia Sophia besaßen, Gottes Paradies auf Erden, ein Raum, der zwar auf der Erde stand, aber aus dem Himmel errichtet worden war.
    Loukas stand mit Jakubs Diener auf der gegenüberliegenden Seite

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