Byzanz
Klinge eines silbernen Messerchens einen Granatapfel auf und zeigte mit der Spitze auf die unzähligen Kammern.
»So muss eine Handelsfirma sein, ein Ganzes, das aus vielen Niederlassungen besteht, die allesamt gleichermaßen im Saft stehen.«
»Durch die Berührung mit dem Granatapfel wurde die Flussgöttin Nana, die Mutter des Attis, schwanger. In der Bibel wird der Granatapfel als Zeichen der Fruchtbarkeit gerühmt.«
Jakub nickte erfreut über die Bildung seines Gastes. »So fruchtbar, wie das Schaffen des Kaufmanns sein soll.«
Während Loukas vom Handel der Notaras-Familie erzählte, von den Partnern in Genua, den Niederlassungen in Kaffa, auf Rhodos und in Gallipoli, Jakub von seinen Stoffen und den Farben sprach, schälte sich immer präziser der Plan einer lukrativen Zusammenarbeit heraus. Die Notaras würden Jakub Leder aus der nordpontischen Region, besonders aus Kaffa liefern. Im Gegenzug könnte Jakub Alhambra kostbare Stoffe gefärbt in Türkischrot schicken. Da man im Abendland diesen Farbton nicht zu erzeugen vermochte – und es zu Jakubs Geheimnissen zählte, wie er den Farbstoff aus der Wurzel des Färberkrapps in einer aufwendigen Prozedur gewann –, versprach diese Verbindung, große Profite abzuwerfen. An diesen Punkt gelangt, unterbrachen sie ihr Gespräch. Die Zeit war wie verflogen, und der Abend kündigte sich mit langen Schatten und leichter, wohltuender Kühle an.
»Ihr wollt Euch sicher etwas ausruhen und frisch machen vor dem Abendessen.« Jakub bot seinem neuen Geschäftspartner Unterkunft in seinem Haus an und schickte einen Diener zur Herberge, damit er sich um die Verpflegung der Eskorte kümmerte.
Das Zimmer, in das ihn ein Diener führte, war nicht allzu groß, aber hell. Loukas wusch sich Gesicht und Oberkörper mit parfümiertem Wasser, das er in seinem Zimmer in einer weißen Schüssel vorfand. Dann zog er die Kleidung an, die ihm der Gastgeber bringen ließ: weiße Baumwollhosen, einen blauen Kaftan und weiche Rindslederpantoffeln in sanftem Ocker.
Eudokimos, der mit dem Diener gekommen war, empfing von ihm Instruktionen, wie sich die Seeleute verhalten sollten. Aufsehen zu erregen war auf alle Fälle zu vermeiden. Zudem galt ein strenges Alkoholverbot, auch sollten sie sich auf keine Gespräche einlassen.
Zum Abendessen holte ihn Jakubs Sohn Moische ab und führte ihn in den ebenerdigen Saal, wo ihn die Familie des jüdischen Kaufmanns bereits zum Abendessen erwartete. Zwischen den Schüsseln und Karaffen schlängelten sich im unentwegten Tanz die Flammen der Öllämpchen, die ein imaginärer Beschwörer anzutreiben schien. Die Tafel bog sich geradezu unter den erlesenen Speisen, Rind gekocht in Piniensirup, Hühnchen in Safran, Schafskäse in Honig und mit Melonen, dazu grüner Tee, Wasser und ein leichter Weißwein, der etwas geharzt war. Silberleuchter unterbrachen die Folge der Schüsseln und Teller. Es fiel Loukas auf, dass weder Jakub noch jemand aus seiner Familie vom Wein nahm.
Mit freundlicher Zurückhaltung stellte der Jude dem Gast seine Familie vor, seine verwitwete Mutter, eine würdige ältere jüdische Dame, seine Frau Deborah, die aussah, wie Loukas sich immer die Sulamith aus dem Hohelied Salomos vorgestellt hatte, wenngleich einige wenige silberne Strähnen ihr schwarzes Haar durchzogen, die fünf Kinder, drei Söhne, zwei Töchter im Alter von zwei bis fünfzehn Jahren. Obwohl Deborah sich im Gespräch zurückhielt, erkannte Loukas an dem, was sie sagte, und an der Art, wie man ihr zuhörte, welch wichtige Stellung sie in der Familie einnahm und wie viel ihre Meinung galt. Deshalb bemühte er sich in der Unterhaltung, immer auch sie anzusprechen, sie zu überzeugen, einzubeziehen und zu belustigen. Die Kinder waren einfach großartig, nicht ohne Respekt gegen ihre Eltern, dennoch aber selbstbewusst, dabei von wachem Verstand. Loukas gewann diese Menschen auf Anhieb lieb und bat im Stillen seinen Schöpfer, ihm eine ähnlich kluge, eine ähnlich große Familie zu schenken.
Jakub Alhambra war reich, das stand außer Frage, aber sein wahrer Reichtum, seine Familie, war um seine Tafel versammelt, und er wusste das. Die Kinder fragten Loukas Löcher in den Bauch über Konstantinopel, über den Kaiser, über das Meer, über Kaffa, Venedig und Genua. Sie erkundigten sich auch nach dem Papst und brachten Loukas schließlich in Verlegenheit, weil sie zu erfahren wünschten, warum die Christen die Juden so sehr hassten. Die Bedrängnis seines Gastes
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