Byzanz
gelänge, den Sultan von seiner persönlichen Unschuld zu überzeugen. Es ging nun im wahrsten Sinne des Wortes um seinen Kopf.
37
Kaiserpalast, Konstantinopel
In Konstantinopel lauschten Manuel und Johannes dem Bericht des Fürsten Alexios Angelos. Obwohl der Fürst Hunyadis Angebot in leuchtenden Farben ausmalte, zeigte es nüchtern betrachtet, dass die Kräfte König Sigismunds auf unabsehbare Zeit im Hussitenkrieg im fernen Böhmen gebunden waren. Hilfe konnte man von dort nicht erwarten. Dass der Erfolg seiner Reise kleingeredet wurde, kränkte Alexios. Er mochte sich nicht länger mit dem Kleinmut, mit der ewigen Schwarzmalerei eines verbrauchten und ängstlichen Clans auseinandersetzen, der endlich den Weg freizumachen hatte für ein neues, starkes Geschlecht von Herrschern. Dennoch protestierte er um der Sache willen, für die sein Herz schlug, und pries Hunyadis Tatkraft. Der Kaiser hörte schon nicht mehr zu und schnitt ihm schließlich das Wort ab.
»Wir können uns auf die Kirchenunion nicht einlassen«, entschied Manuel.
»Warum?«, fragte Johannes statt des Fürsten.
»Weil wir die Kirchenunion mit den Lateinern nicht gegen die Geistlichen, gegen die Mönche und gegen das Volk durchsetzen können«, erwiderte der Kaiser.
»Pah, das Volk! Ich werde es schon zähmen!«, rief Alexios, und seine Augen funkelten.
Manuel lächelte mitleidig: »Mein Sohn, die Menschen glauben jetzt schon, dass wir von Gott für unsere Sünden bestraft werden. Was glaubst du, wie sie es empfinden werden, wenn wir noch eins draufsetzen würden? Nicht nur Sünder, sondern wegen der Kirchenunion auch noch Ketzer und Apostaten, also Abfallende vom wahren Glauben wären? Gewalt kann in einzelnen Fällen ein Mittel sein, aber sie kann nicht die Rechtmäßigkeit ersetzen – zumindest nicht auf Dauer. Gewalt zu entfesseln ist leicht, viel schwerer hingegen, sie wieder an die Kette zu legen. Bedenkt das, Fürst Heißsporn!«
»Aber …«, wollte Alexios widersprechen, doch der Kaiser fuhr ihn an: »Du kannst nicht gegen das Volk und die Mönche regieren! Schluss mit diesen Abenteuern, wir werden uns mit den Türken arrangieren!«
Alexios lächelte fein, und dieses wissende und zugleich mitleidige Lächeln verunsicherte Vater und Sohn. »Mit wem wollt Ihr Euch arrangieren? Mit Murad oder seinem Onkel Mustafa, den sie auch den Falschen nennen?«
Johannes klappte der Unterkiefer vor Staunen herunter, und Manuel erhob sich aus seinem Armstuhl.
»Sprich nicht in Rätseln!«, fuhr ihn Manuel an.
»Verzeiht, Herr. Ich habe mit ein paar von Hunyadis Leuten, wackeren Männern, die sich jetzt wieder auf dem Heimweg Richtung Norden befinden, Mustafa befreit. Er sammelt in Rumelien Truppen gegen Murad, und der Emir von Smyrna rekrutiert in Anatolien. Der Großkaraman, der Khan der Horde der Schwarzen Hammel und andere mächtige Fürsten in Anatolien werden sich unter seiner Flagge vereinen.«
»Du hast …« Manuel schwindelte. Wie vom Schlag getroffen ließ er sich in seinen Sessel fallen und atmete schwer.
»Dann ist Loukas Notaras tot«, entfuhr es Johannes. »Dann haben wir ihn in den Tod geschickt.«
Für eine kleine Weile fror die Zeit ein, und ein Engel des Todes durchquerte den Raum. Man konnte seinen kalten Hauch spüren. Als sich der Mitkaiser mühsam wieder gefasst hatte, erklärte er dem Fürsten, dass sie den Kapitän zu Murad nach Edirne gesandt hatten.
»Umso besser, so haben wir auch Murad gratuliert«, entgegnete Alexios zynisch und gut gelaunt. Dass bei dieser Mission sein Widersacher, der ihm die Braut ausgespannt und ihn gedemütigt hatte, den Tod finden würde, sah er als willkommenen Nebeneffekt an, mit dem er zwar nicht rechnen konnte, der ihn aber dennoch erfreute. »Arme Eirene, vom Brautkleid ins Trauerkleid. So schnell kann es gehen!«
»Raus, ich will dich nicht mehr sehen«, sagte Manuel leise.
»Vater«, wandte Johannes ein, »lass uns in Ruhe nachdenken. So eigenmächtig Alexios auch gehandelt hat, so hat er doch das Richtige getan. Mustafa hat uns umfangreiche Versprechungen gemacht – und nicht nur uns. Wenn er Sultan ist, wird er ein sehr geschwächter Sultan sein. Murad ist siebzehn Jahre alt, er hat zwar seine Herrschaft verkündet, sitzt aber nicht sicher im Sattel. Es ist richtig, jetzt zuzuschlagen. Wir werden den alten Notaras irgendwie entschädigen müssen.«
Der alte Kaiser erschrak über die politische Blindheit seines Sohnes. »Wir werden für die Eigenmächtigkeit dieses jungen
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