Byzanz
zu dem Hund. Das Tier bellte, als wolle es seinem neuen Herrn zustimmen.
Im Hof erwartete ihn bereits Hunyadis Waffenmeister mit fünf Männern zu Pferde. Alexios Angelos bestieg sein Ross und rief den Männern grimmig zu: »Also dann, meine Herren, erteilen wir den Türken eine Lektion!« Und gab seinem Reittier die Sporen. Neben ihm lief Înger, als ob er nie etwas anderes getan hätte, als neben dem Rhomäer-Fürsten Alexios Angelos herzulaufen.
36
Residenz des Sultans, Edirne
Loukas Notaras überholte mit seiner Eskorte immer wieder bewaffnete Trupps. Das Reich der Osmanen befand sich in Aufruhr, wie es in den Zeiten des Herrscherwechsels üblich war. Auch in Edirne gärte es. Die wenigen Händler, die sich auf den Basar trauten, wirkten verschüchtert. Frauen sah man so gut wie gar nicht in den Straßen, dafür schien sich fast die gesamte männliche Einwohnerschaft der Stadt auf dem Platanenplatz vor dem Palast des Sultans versammelt zu haben. Die Christen, erfuhr er später, suchten Schutz in den Kirchen der Stadt. Verunsicherung rüttelte die Stadt. Loukas stieg vom Pferd und kämpfte sich mühsam bis zum Eingang des Palastes durch, der von einem Eskadron Janitscharen bewacht wurde. Einen Glatzkopf, dem aus der Mitte seines kahlen Schädels eine schwarze Strähne wuchs und der mit seinem Bart und seinen Glupschaugen einem Walross ähnelte, bat der Kapitän, den Sultan oder Halil Pascha zu verständigen, dass der Gesandte des Kaisers, Loukas Notaras, die hohen Herren zu sprechen wünsche. Der Janitscharenkommandeur schickte einen seiner Leute in den Palast.
Eine halbe Stunde später stand Loukas, nachdem er zwei freundliche Innenhöfe passiert hatte, in einem großen und hellen Saal, auf dessen blauen Fliesen sich kostbare Teppiche rekelten. Auf einem großen, runden und in allen Farben der Welt leuchtenden Kissen saß Murad. Neben ihm stand Halil Pascha. Während Loukas zum Ableben Mehmeds kondolierte und zum Regierungsantritt gratulierte, verunsicherte ihn die ungewohnte Kühle der beiden Männer, mit denen er vor Kurzem noch in Amasia vertrauten, ja fast herzlichen Umgang gepflegt hatte. Dass sie in ihrer neuen Position ein wenig auf Abstand hielten, erklärte hingegen nicht vollkommen die abweisende Haltung, die sie Loukas gegenüber an den Tag legten. Irgendetwas, durchfuhr es den Kapitän, war geschehen.
»Ich danke für die Kondolenz und für die Gratulation. Doch gefreut hätte ich mich über etwas sehr Einfaches«, sagte der junge Sultan und schaute den Griechen prüfend an.
»Worüber, Herr?«
»Nun, über Aufrichtigkeit.« Loukas Notaras überraschte die Antwort. Er verstand nicht, worum es ging.
»Und gerade von dir hätte ich sie erwartet. Dass du mich hintergehst, enttäuscht mich tief. Führt ihn ab. Ich werde später entscheiden, was mit ihm geschehen soll«, rief er seiner Wache zu. Loukas warf sich auf den Boden. »Herr, wenn ich Euch verletzt haben sollte, so sagt es mir. Ich bin mir keiner Schuld bewusst.«
»Keiner Schuld bewusst?«, brüllte Murad. »Keiner Schuld bewusst. Seit Jahren habt ihr den falschen Mustafa in einem Kloster auf der Insel Lemnos interniert. Und nun, pünktlich zum Tod meines Vaters, lasst ihr ihn frei, damit er sich mit Dschuneid, dem Emir von Smyrna, gegen mich verbündet. Ist das Euer großzügiges Geschenk zu meinem Regierungsantritt? Schafft ihn aus meinen Augen, diesen Heuchler und Lügner, diese griechische Schlange!« Loukas Notaras verschlug es die Sprache, er war kreideweiß geworden und ließ sich ohne Protest willenlos abführen. Man hatte ihn bewusst in allergrößte Gefahr gebracht, ohne ihn vorzuwarnen, vorausgesetzt, der Kaiser wusste selbst davon. Der Kapitän fragte sich, wer diesen verrückten Plan, den falschen Mustafa zu befreien, ersonnen und durchgeführt hatte.
Vollkommen war er in die Falle getappt. Doch darüber nachzudenken war müßig, jetzt galt es, einen Weg zu finden, um dieser bedrohlichen Situation zu entkommen. Er machte sich keine Illusionen über seine Lage. Es wäre nur legitim, dass Murad als Reaktion auf diesen Verrat ihn enthaupten lassen und seinen abgeschlagenen Kopf in Honig eingelegt als Botschaft nach Konstantinopel senden würde. Der Kapitän musste sich eingestehen, dass diese Reaktion des Sultans logisch, wohl auch klug und verständlich wäre, denn es ging um seine Herrschaft wie um sein Leben – und Schuld daran war Konstantinopel. Es gab nur eine Rettung, dachte der Kapitän schließlich, wenn es ihm
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