BZRK Reloaded (German Edition)
hoch.
Zwischen dem ersten Januar und dem ersten Juni ereigneten sich siebzehn Selbstmorde. Gemessen am Alter, den Umständen und der psychiatrischen Vergangenheit der Population hätte es nicht mehr als drei Selbstmorde geben dürfen.
Im selben Zeitraum griffen fünf Individuen aus den Populationen von Benjaminia und Charlestown Mitarbeiter oder Mitbewohner an, und zwar so heftig, dass es zu Verletzungen kam. Es kam zu einem Todesfall.
Die Frage, die es zu beantworten galt, war, ob diese Raten ein Resultat der besonderen Bedingungen an Bord des Puppenschiffs sind – die Trennung von der Familie, beengte Verhältnisse, usw. Oder ob die Selbstmorde und psychischen Zusammenbrüche eine Reaktion auf den Verdrahtungsprozess selbst sind.
Auf meine Bitte hin hat mir Dr. Aliyah Suleiman von AFGC, New York, zusätzliche Daten geschickt, die bestätigen, dass meine Beobachtungen hier auf dem Puppenschiff Teil eines Musters sind, das in Zusammenhang mit der Verdrahtung steht.
Bisher habe ich drei Autopsien durchgeführt – zwei Selbstmordopfer und einen Probanden, der so gewalttätig wurde, dass die Mitarbeiter zu drastischen Mitteln gezwungen waren –, und meine vorläufigen Beobachtungen legen nahe, dass das Gehirn zu einer Art Gegenverdrahtung übergegangen ist. Dichte Cluster neuer Gehirnzellen, die sich in Nachahmung der Drähte fast wie Krebsgeschwüre im Hippocampus gebildet haben, sowie im Nucleus accumbens und selbst im Frontallappen. Die Größe der Probe ist nicht ausreichend, um Schlüsse zu ziehen. Aber meine Hypothese ist, dass manche Gehirne, vom Draht angeregt, frisches Gewebe ausbilden. In den beobachteten Fällen können diese neuen Auswüchse eine Neigung zur Depression und damit zum Selbstmord oder zu unkontrolliertem Zorn auslösen.
Glücklicherweise geschieht dies nur bei einem geringen Teil der Fälle. Auf die gesamte Menschheit ausgeweitet allerdings würde ich mit Dutzenden Millionen, vielleicht gar Hunderten Millionen von Selbstmorden und Amokläufen rechnen.
Ich empfehle AFGC, eine breitere Untersuchung dieses Phänomens zu veranlassen.
Tabellen und Diagramme im Anhang.
ZEHN
In Benjaminia ging die Kunde um, dass die Großen Seelen kommen würden.Die Großen Seelen!
Menschen mit eingefrorenem Lächeln wie durch eine Kieferstarre, mit weit aufgerissenen, funkelnden Augen und einem Überschuss an Energie hörten nicht auf, davon zu reden.
Alle waren damit beschäftigt, die Stadt zu reinigen. In diesem Fall hieß das, Eimer mit einem milden Putzmittel zu füllen und die geschwungenen, aus einer Nickellegierung bestehenden Wände mit langen Bürsten zu schrubben. Die Wände waren bereits sauber – Sauberkeit war Teil nachhaltigen Glücks –, deshalb war das eher ein Akt der Devotion als ein simples Reinemachen.
Unmittelbarer ins Auge fiel die neue Farbe an der großen Säule, die in der Mitte der Kugel aufragte, genau wie an den Eingängen der Tunnel, die Benjaminia mit Charlestown verbanden. Ein begnadeter Künstler hatte den Himmel mit einem Gemälde geschmückt, einem wundervollen Bild der Großen Seelen, die die eine Hand nach links zu Gott und die andere nach rechts zu Darwin ausstreckten.
Hätte draußen nicht ein solcher Sturm getobt, wäre alles viel einfacher gewesen. Manche Wellen waren so hoch, dass die Empfindlicheren zu den Eimern rennen mussten, die sie klugerweise bereitgestellt hatten.
Zum Glück wurde Minako McGrath nicht seekrank.
Die Stahl-Nickel-Kugel, die Benjaminia umgab, hatte einen Durchmesser von vierzig Metern. In der Mitte erhob sich die große Säule. Eine waagrechte Plattform aus Sperrholz – das ebenfalls ein wenig grasgrüne frische Farbe vertragen konnte – bildete eine Art Boden der Kugel, ein Erdgeschoss.
Die vierzehnjährige Minako war in Mathe nie ein Genie gewesen, aber sie hatte fast schon eine krankhafte Vorliebe für Zahlen. Vierzig Meter im Durchmesser war keine gute Zahl.
Der Boden der Kugel, die hölzerne Plattform, stellte ebenfalls eine gerade, leicht zu teilende Zahl dar: vierundzwanzig Meter im Durchmesser.
Minako war nicht glücklich. Nicht »nachhaltig glücklich«, um diesen widerlichen Ausdruck von Nexus Humanus zu benutzen. Und auch sonst nicht glücklich. Sie war so traurig, dass man es schon verzweifelt nennen konnte. Es waren erst zehn Tage vergangen, seit sie um sich schlagend und beißend an Bord dieses Albtraumschiffs geschleppt worden war.
Zehn war auch keine gute Zahl. Es war keine Primzahl, noch war sie durch drei oder
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