BZRK Reloaded (German Edition)
ihrem Nacken sprechen, deshalb packte er sie an den Schultern und drehte sie um. Er war dabei nicht grob, fasste sie aber mit mehr Bestimmtheit an, als Keats zuvor gezeigt hatte. Er bat sie nicht, ihn anzusehen, sondern er forderte es ein.
»Zusammen?«, fragte er.
»Ja, zusammen«, sagte Plath und schüttelte seine Hände ab. Aber sie wandte sich nicht wieder ab.
»Aber du hast doch gesagt …«
»Erzähl mir verdammt noch mal nicht, was ich gesagt habe!« Der Ausbruch war so heftig, dass ihr Kopf nach vorn schnellte und er vor ihr zurückwich. »Ich war vernünftig. Ich war besonnen. Ich habe versucht, weder dich noch mich zu verletzen.«
»Und jetzt? Jetzt ist es dir egal?«
»Hör mir zu, Noah.« Und plötzlich war es nicht mehr Keats, sondern Noah. Trotzig wiederholte sie den Namen. »Hör mir zu, Noah. Wenn das klappt, wenn wir Vincent retten, können wir vielleicht auch deinen Bruder retten. Und eines Tages sind wir vielleicht sogar in der Lage, uns gegenseitig zu retten.«
»Tu das nicht für mich oder meinen Bruder«, flehte er sie an. »Tu’s nicht. Du kannst hier raus. Du kannst entkommen. Dein Leben muss nicht das hier sein.«
Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände.
Er schloss die Augen.
Es war kein Kuss, der dem Begehren vorausging. Es war ein Kuss, der ihr Schicksal besiegelte.
ACHTZEHN
Der neue Biot der Viererversion – Biot 4.0 – bewegte sich langsamer, wenn seine interne Blase mit Säure gefüllt war. Zusätzlich schleppte er eine externe Blase mit Säure mit sich, die nichts weiter war als eine Art Plastikmülltüte. Langsam wanderte er den mühevollen Weg entlang, den er schon einmal beschritten hatte. Über den zugefrorenen See des Auges mit seinen Strömen geschwollener Kapillaren unter der Oberfläche.
Er folgte der langen Krümmung unter das Augenlid. Es war ein langer Marsch, vom Gefühl her wie eine Meile. Weiter und weiter, bis zu der Stelle, wo die Muskeln, gleich dicken Brückenkabeln, mit der öligen Eisfläche verschmolzen, die nun eher rosafarben als weiß war.
Die Muskeln zuckten. Vincent schlief nicht viel, was bedeutete, dass seine Augen noch mehr zuckten. Umso mehr, da er festgebunden war. Sie hatten ihm weniger Medikamente gegeben, damit er normaler reagierte. Im Moment bedeutete das, dass er leise und irr vor sich hin kicherte, hin und wieder bellte wie ein Seehund und manchmal so stark mit den Augen rollte, wie es irgend ging. Sadie kam es so vor, als wollte er seine Augen ganz nach innen drehen, um sein Gehirn zu betrachten. Was angesichts dessen, was er wusste, auch einen gewissen Sinn ergab.
Plaths Biot verstand das gesprochene Wort nicht gut, vor allem, wenn er tief im Fleisch war. Sie vernahm lediglich ein Rumpeln, was sich anhörte, als würde draußen ein Lastwagen vorbeifahren. Aber sie wusste, dass es eine leise, beruhigende Stimme war. Zweifellos die von Anya.
Eine routinemäßige Reise – oh Gott, war es so weit gekommen, dass sie das bereits als Routine ansah? – den Sehnerv hinab. Die Nervenzellen waren überspannt, unter Plaths Biotfüßen jagten Gigabytes an optischen Daten dahin. Sie zögerte, sah mit ihren Biotaugen nach unten und bemerkte, wie sich die Zelle unter einem ihrer Füße zu teilen begann. In der Endphase ging das erstaunlich plötzlich – so, als würden unsichtbare Hände einen weichen Brotteig zerteilen. Beinahe musste sie lachen, weil es genauso aussah wie das, was man ihr in der Highschool im Biounterricht gezeigt hatte.
Ihre eigenen Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Es war eine Sache gewesen, sich tapfer zu fühlen, solange sie mit Keats allein gewesen war. Er kitzelte das toughe Mädchen aus ihr heraus, ließ sie sich stark fühlen, so wie ihr Bruder es getan hatte. Tatsächlich hatte sie inzwischen den Eindruck, dass die beiden sich ähnelten, auch wenn ihr diese Verbindung früher nie aufgefallen war. Noah und Stone McLure. Natürlich hatte sie ihren Bruder geliebt. Und auch wenn sie sich dagegen wehrte, liebte sie Noah – da war sie sich ziemlich sicher –, wenn auch auf ganz andere Weise.
Der Sehnerv war ein langes Kabel, aber an dieser Stelle so dick, dass sie kaum die Krümmung erkennen konnte. Beleuchtung kam einzig von den beiden Leuchtlinsen, die ein trübes, grünliches Licht warfen – genug, um mit ihren Insektenaugen Bewegungen zu erkennen, aber kaum genug, um mit ihren menschenähnlichen Augen künstlich verstärkte Farben auszumachen.
Der Sehnerv dringt tief ins Gehirn ein. Von allen Seiten drängt
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