C14-Crash
(Kapitel 9).
In diesen letzten drei Kapiteln finden sich alle Argumente und Betrachtungen,
auf die sich auch die vorangegangenen Kapitel des Buches gestützt haben, die
wir zur Wahrung des allgemeinen Verständnisses von fachspezifischen Dis-
kursen jedoch möglichst frei halten wollten.
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C14-Crash
3. Methodisches – C14 auf dem Prüfstand
3.1 Keine Datierung ohne Chronologie
Sowie es um die C14-Methode geht, wird auch ein eher unsensibler Beobach-
ter ein gespanntes Verhältnis zwischen Historikern und Naturwissenschaftlern
bemerken. Wir haben bisher nur Historiker getroffen, die privatim aus dem
Stand heraus mit Vorbehalten gegenüber der C14-Methode reagierten. Diese
Aversion erwächst vor allem aus dem Gegensatz zwischen dem programma-
tisch gegebenen Absolutheitsanspruch der C14-Methode auf der einen Seite
und deren ungelösten Widersprüchen in Verbindung mit anhaltenden Kontro-
versen zu Datierungsfragen auf der anderen Seite.
Dabei war die Haltung der Altertumswissenschaftler in der Frühphase der
Entwicklung der C14-Methode durchaus wohlwollend. Man versprach sich
dringend benötigte Hilfestellung bei der Datierung. Das Zerschlagen ganzer
Chronologiesysteme, wie es sich dann im Laufe der siebziger Jahre abzeich-
nete, wurde dagegen weitgehend als unzumutbare Einmischung abgelehnt.
Der Wandel in der Haltung gegenüber der C14-Methode kann am Beispiel H.
Müller-Karpes, einem der angesehensten deutschen Altertumsforscher, ver-
deutlicht werden.
1966 teilte H. Müller-Karpe mit vielen seiner Fachkollegen jene wohlwol-
lende, wenngleich noch vorsichtige Zuversicht, daß die C14-Methode Licht in
das verbliebene chronologische Dunkel bringen könnte, das die Altertumsfor-
schung bis dahin aus eigener Kraft nicht hatte vertreiben können. Im ersten
Band seines Handbuches der Vorgeschichte muß er nämlich das Fehlen einer
verläßlichen Methode beklagen, die die Synchronisierung von Erscheinungen
weit auseinanderliegender Gebiete ermöglicht. Erst dadurch werde aber die
Paläolithforschung in die Lage versetzt, parallele oder auch zeitlich aufeinan-
derfolgende Entwicklungen aufzudecken. Doch es bestünde nunmehr Hoff-
nung, »daß die nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sog. C 14-Methode
in der Lage sein wird, ein solches universales chronologisches Bezugsnetz zu
schaffen« [1966, 17].
Zwar sei die Methode noch mit mancherlei Unvollkommenheiten behaftet,
aber: »Die Messungen werden verfeinert, Fehlerquellen aufgespürt und mög-
lichst ausgeschaltet, Unsicherheiten einkalkuliert« [ebd. 131]. Es könne sein,
daß diese Methode in Zukunft, wenn genügend große Untersuchungsserien
vorliegen, zu einem verläßlichen Gerüst der absoluten Zeitbestimmung ver-
helfen werde [ebd. 131].
3. Methodisches – C14 auf dem Prüfstand
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Bereits Jahre zuvor, seit spätestens 1958, wurden verstärkt Indizien disku-
3.1 Die Anwend-
barkeit der C14-
tiert, daß das Fundamentalprinzip ungültig sei und C14-Daten deshalb nicht
Methode hatte von
Anfang an etwas
direkt in ein Absolutdatum umgerechnet werden dürften. Diese Indizien be-
zur Vorausset-
zung, was Histori-
ker für unsere Ge-
wiesen einheitlich, daß die C14-Konzentration der Atmosphäre sich in den
schichte bis heute
nicht zur Zufrie-
zurückliegenden Jahrhunderten verändert haben müsse. Also bestand die Not-
denheit erarbeiten
konnten: Eine lük-
wendigkeit, zuerst den zeitlichen Verlauf der C14-Konzentration vollständig
kenlose Absolut-
chronologie für
zu rekonstruieren, bevor ein C14-Datum kalibriert und damit in ein annähern-
den Zeitraum, in
dem die Datie-
des Absolutalter umgerechnet werden konnte. Das bedeutete aber, daß die er-
rungsmethode an-
gewendet werden
hoffte Datierungshilfe von der C14-Methode erst dann zu erwarten war, wenn
soll.
eine lückenlose Chronologie der atmosphärischen C14-Konzentration vorlag.
Libbys »Fundamentalannahme« war nichts weniger als der erste vollstän-
dige Entwurf jenes global gültigen Chronologienetzes gewesen, von dem die
Altertumswissenschaftler für ihren Bereich seinerzeit höchstens träumen
konnten. Die ursprüngliche Annahme, daß die atmosphärische C14-Konzen-
tration an allen Orten der Erde und zu allen Zeiten konstant gewesen sei, ist
zwar trivial, repräsentiert nichtsdestotrotz eine reguläre globale und zeitlich
umfassende Chronologie.
Als sich die Fundamentalannahme als falsch herausgestellt hatte, stand so-
fort
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