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C14-Crash

C14-Crash

Titel: C14-Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blöss / Niemitz
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Kandidaten infolge der Vordatierung gar nicht erfaßt werden, welche
    aber nach rein dendrochronologischen Maßstäben dieselbe Aufmerksamkeit
    verdienten, wie die durch die Vordatierung selektierte Synchronität. Hinter
    der sogenannten »temporären Inanspruchnahme einer Hilfswissenschaft«, von
    der die Dendrochronologie in diesem Zusammenhang gerne spricht, verbirgt
    sich also ein kompletter Methodenwechsel: Es wird – ohne C14 – entweder
    auf der Basis dendrochronologischer oder – mit C14 – auf der Basis radiome-
    trischer Methoden synchronisiert.
    So ruppig diese Aussage erscheinen mag, so ergibt sie sich doch zwingend
    aus der Forderung, daß für die Verwendung von C14 zur Vordatierung auch
    nachzuweisen war, daß die C14-Methode in dem angestammten Arbeitsgebiet
    der Dendrochronologie gemäß ihrer grundlegenden Prämissen funktioniert.
    Das ist keine übertriebene Forderung angesichts der Probleme, die immer
    wieder ans Tageslicht kommen. Daß radiometrisch vordatierte Sequenzen
    später eine zusätzliche dendrochronologische Behandlung erfahren, ändert
    nichts an dem ursprünglichen Grund für den Einsatz der C14-Methode: Die
    unzureichende Signifikanz der dendrochronologischen Methode und/oder das
    Übermaß an zu überprüfenden Deckungslagen. Dieses Signifikanzproblem
    wird nicht dadurch besser, daß eine relativ beste Signifikanz plus dendrochro-
    nologischer Erfahrung ins Feld geführt wird – hätten diese doch ohne C14
    schlichtweg nicht ausgereicht.
    An dieser Stelle offenbart sich ein weiteres Dilemma der Dendrochronolo-
    gie. Es ist im Rahmen ihrer Methode zwar möglich, die Korrigierbarkeit der
    C14-Daten in lokalen Mastern zu verifizieren (und das u.U. deutlich sicherer,
    als durch andere archäologische Funde). Dasselbe kann aber nicht in ver-
    gleichbarer Strenge für die überregionale Gültigkeit des Simultanitätsprinzips
    erreicht werden. Und zwar deshalb nicht, weil die Vergleichskriterien der
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    C14-Crash
    Dendrochronologie die Herkunft der betrachteten Baumringsequenzen aus
    Wuchsgebieten mit einheitlichen klimatischen Voraussetzungen verlangen.
    Diese Wuchsgebiete umfassen in Europa höchstens einige hundert Kilo-
    meter im Durchmesser. Während sich einzelne irische Eichen bis zu einem
    Abstand der Fundorte von 70 Kilometern korrelieren ließen [Smith 1972, A92],
    erhöhte sich dieser Abstand für den Vergleich von Stammlagen der Donau
    und des Oberen Mains um mehr als das Doppelte [Becker/Frenzel 1977, 46]. Lan-
    ge und gut belegte »lokale Master« ließen sich dagegen generell über eine
    Entfernung von bis zu 300 Kilometer synchronisieren [Hollstein 1977, 16]. Über-
    regionale Vergleiche wie etwa zwischen dem süd- und dem norddeutschen
    Raum zeigen jedoch, daß die verschiedenen Eichenholzchronologien nicht
    übertragbar11 sind [Eckstein 1984, 40]. Die Dendrochronologie muß das Simulta-
    nitätsprinzip also weitgehend glauben, ohne es mit eigenen Mitteln substanti-
    ell überprüfen zu können [Pilcher et al. 1984, 151], solange sie nicht voneinander
    absolut unabhängig entstandene Absolutchronologien (statt lediglich schwim-
    mender Chronologien) von verschiedenen Orten aufführen kann.
    Wir erinnern daran, daß die ernsthafteste Attacke gegen das Simultani-
    tätsprinzip von der Dendrochronologie selbst geführt wurde: Der Vergleich
    der Bristlecone-Pine-Chronologie mit dem neuseeländischen Kauri-Baum
    (vergleiche Bild 2.4 ) hatte nicht nur die Möglichkeit aufgeworfen, daß starke
    lokale Unterschiede der C14-Konzentration herrschen können, sondern daß
    zusätzlich die C14-Konzentration der Atmosphäre sich in einem Ungleichge-
    wicht befindet und seit langem im Steigen begriffen ist. Allein angesichts die-
    ser Ergebnisse hätten die europäischen Dendrochronologen auf jegliches
    »wiggle-matching« mit der Bristlecone-Pine-Chronologie verzichten müssen,
    bis die uneingeschränkte Gültigkeit des Simultanitätsprinzips nachgewiesen
    bzw. bis der Widerspruch zwischen Kalifornien und Neuseeland aus dem
    Weg geräumt gewesen wäre.
    Zu diesem Schritt sah man sich offensichtlich nicht genötigt. Zur Errich-
    tung lokaler wie überregionaler Master wurden vielmehr archäologische
    und/oder radiometrische Hinweise benutzt, wo und wie auch immer man sie
    bekam. Sie werden hier allerdings nicht als Hinweise betrachtet, sondern als
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    Die Auswirkung extremer Dürre sowie extremer Feuchtigkeit auf die Ringbreiten wird als
    überregionale synchronstische Klammer

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