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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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sie sie nicht mehr aus ihrem Denken verdrängen könnte.
    Je früher sie von hier fort wäre, mit Boone an ihrer Seite, desto früher würde sie wieder in Calgary sein. Dort waren die Straßenlaternen hell. Sie zähmten die Sterne.
    Von diesem Gedanken beruhigt, machte sie sich auf die Suche nach dem Täufer.

    141

    XIV
    Tabernakel
    Dies war das wahre Midian. Nicht die verlassene Stadt auf dem Hügel; nicht einmal der Friedhof über ihr, sondern dieses Netz von Tunneln und Kammern, das sich wahrscheinlich unter dem gesamten Friedhof verzweigte. Einige der Grüfte wurden ausschließlich von den ungestörten Toten bewohnt; ihre Särge lagen schimmelnd auf Rega-len. Waren dies die ersten Bewohner des Friedhofs, die zur Ruhe gebettet worden waren, bevor ihn die Nachtbrut in Besitz genommen hatte? Oder gehörten sie der Brat an und waren in ihrem Halbleben gestorben, möglicherweise in der Sonne verfallen oder von Verlangen ausgezehrt?
    Was auch immer, sie waren in der Minderzahl. Die meisten der Kammern wurden von lebendigeren Seelen bewohnt, und die Unterkünfte wurden von Kerzen oder Lampen erhellt, gelegentlich auch vom Bewohner selbst: einem Wesen, das selbst leuchtete.
    Eine solche Wesenheit erblickte sie nur einmal, sie lag in der Ecke ihres Boudoirs auf einer Matratze. Sie war nackt, korpulent und geschlechtslos, der schwammige Körper ein Narrenkleid aus dunkler, öliger Haut und larvenglei-chen Auswüchsen, aus denen Phosphoreszenz troff und das schlichte Bett tränkte. Es schien, als würde jede Tür zu einem ähnlich geheimnisvollen Abschnitt führen, und ihre Reaktionen darauf waren so problematisch wie die Anblicke, die sie hervorriefen. Drehte sich ihr lediglich vor Ekel der Magen um, wenn sie die Stigmatisierten in voller Flut sah, mit ihren scharfzahnigen Anhängseln, die 142

    lautstark an ihren Wunden saugten; oder Aufregung, wenn sie die Legende vom Vampir in Fleisch und Blut sehen konnte? Und was sollte sie von dem Mann halten, dessen Körper sich in Vögel verwandelte, als er sah, daß sie ihn beobachtete; oder dem Maler mit dem Hundekopf, der sich von seinem Wandgemälde abwandte und sie bat, seinem Lehrling beim Mischen von Farben zu helfen?
    Oder von den Maschinenbestien, die mit Tastzirkelbeinen die Wände hinaufliefen? Nach einem Dutzend Tunneln wußte sie Grauen nicht mehr von Faszination zu unterscheiden. Vielleicht hatte sie das nie gekonnt.
    Sie hätte tagelang herumirren und Seltsamkeiten sehen können, hätten Instinkt oder Glück oder beides sie nicht so nahe zu Boone geführt, daß ihr weiteres Eindringen aufgehalten wurde. Lylesburgs Schatten trat vor sie, scheinbar aus einer soliden Mauer.
    »Sie dürfen nicht weitergehen.«
    »Ich will Boone finden«, sagte sie ihm.
    »Sie trifft keine Schuld an allem«, sagte Lylesburg. »Das sehen alle ein. Aber Sie müssen Ihrerseits auch etwas verstehen: Was Boone getan hat, hat uns alle in Gefahr gebracht...«
    »Dann lassen Sie mich mit ihm sprechen. Wir werden gemeinsam von hier fortgehen.«
    »Das wäre vor einer Weile noch möglich gewesen«, sagte Lylesburg, und die Stimme drang gemessen und befehlsgewohnt wie immer aus seinem Schattenmantel.
    »Und jetzt?«
    »Ist er außerhalb meines Zugriffs. Und auch außerhalb Ihres. Er hat sich an eine völlig andersartige Macht gewendet.«
    Noch während er sprach wurde weiter unten in der Katakombe Lärm laut; ein Getöse, wie Lori es noch nie vernommen hatte. Einen Augenblick war sie sicher, daß 143

    ein Erdbeben dafür verantwortlich war, der Laut schien in der Erde um sie herum zu sein und von ihr zu stammen.
    Aber als die zweite Woge anfing, hörte sie etwas Animalisches darin: ein Stöhnen des Schmerzes möglicherweise, oder der Ekstase... Das war sicherlich Baphomet – der Midian geschaffen hat, hatte Rachel gesagt. Welche andere Stimme hätte die Substanz des Ortes selbst erschüttern können?
    Lylesburg bestätigte ihre Vermutung.
    »Damit möchte Boone verhandeln«, sagte er. »Glaubt er jedenfalls.«
    »Lassen Sie mich zu ihm.«
    »Er hat ihn bereits verschlungen«, sagte Lylesburg.
    »Ihn in die Flamme genommen.«
    »Das will ic h selbst sehen«, verlangte Lori.
    Sie wollte sich keinen Augenblick mehr hinhalten lassen und drängte sich an Lylesburg vorbei, wobei sie mit Widerstand rechnete. Aber ihre Hände sanken in die Dunkelheit, die er trug, und berührten die Wand hinter ihm. Er hatte keine Substanz. Er konnte sie nicht daran hindern, irgendwohin zu gehen.
    »Er wird Sie auch

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