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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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darauf, daß sie den Friedhof verließen, und suchte den Weg durch den Irrgarten der Grabmale zum Tor. Dort blieb Boone stehen.
    »Das Auto steht gleich außerhalb«, sagte sie.
    Er schlotterte, obwohl die Nacht ziemlich warm war.
    »Ich kann nicht...« sagte er.
    »Kannst was nicht?«

    149

    »Ich gehöre hierher.«
    »Nein, gehörst du nicht«, sagte sie. »Du gehörst zu mir.
    Wir gehören zusammen.«
    Sie stand nahe bei ihm, aber sein Kopf war den Schatten zugewendet. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände und zog seinen Blick zu ihr.
    »Wir gehören zusammen, Boone. Darum bist du am Leben. Verstehst du das denn nicht? Nach allem. Nach allem, was wir durchgemacht haben. Wir haben überlebt.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Das weiß ich. Wir haben beide eine schreckliche Zeit hinter uns. Mir ist klar, daß es nie wieder so wie früher sein kann. Ich möchte auch nicht, daß es so ist.«
    »Du weißt nicht...« begann er.
    »Dann wirst du es mir erklären«, sagte sie. »Wenn der rechte Zeitpunkt gekommen ist. Du mußt Midian vergessen, Boone. Es hat dich bereits vergessen.«
    Das Schlottern kam nicht von der Kälte, sondern war ein Vorläufer von Tränen, die jetzt hervorquollen.
    »Ich kann nicht gehen«, sagte er. »Ich kann nicht gehen.«
    »Wir haben keine andere Wahl«, erinnerte sie ihn. »Wir haben nur einander.«
    Der Schmerz seines Leids drückte ihn fast nieder.
    »Steh auf, Boone«, sagte sie. »Leg den Arm um mich.
    Die Brut braucht dich nicht; sie wollen dich nicht. Ich brauche dich. Boone. Bitte.«
    Er richtete sich langsam auf und umarmte sie.
    »Fest«, sagte sie zu ihm. »Halt mich fest, Boone.«
    Sein Griff wurde fester. Als sie die Hände von seinem Gesicht sinken ließ, um sich zu revanchieren, wanderte sein Blick nicht mehr zum Friedhof zurück. Er sah sie an.
    »Wir fahren ins Hotel zurück und holen meine Sachen, 150

    ja? Das müssen wir tun. Es sind Briefe dabei, Fotos – eine Menge Sachen, die andere Leute nicht finden sollten.«
    »Und dann?« sagte er.
    »Dann gehen wir irgendwohin, wo niemand nach dir suchen wird, und versuchen eine Möglichkeit zu finden, deine Unschuld zu beweisen.«
    »Ich mag das Licht nicht«, sagte er.
    »Dann halten wir uns davon fern«, antwortete sie. »Bis du diesen verfluchten Ort wieder in die richtige Perspektive gerückt hast.«
    Sie sah in seinem Gesicht nicht einmal einen Hauch von ihrem Optimismus. Seine Augen glänzten, aber das waren nur die Spuren der Tränen. Der Rest von ihm war so kalt – noch so sehr Teil von Midians Dunkelheit. Das wunderte sie nicht. Nach allem, was diese Nacht und der ihr vorangegangene Tag gebracht hatten, war sie überrascht, daß sie selbst diese Fähigkeit zur Hoffnung in sich hatte. Aber sie war da, kräftig wie ihr Herzschlag, und sie wollte sie nicht von den Ängsten, die die Brut sie gelehrt hatte, verdrängen lassen.
    »Ich liebe dich, Boone«, sagte sie, rechnete aber nicht mit einer Antwort.
    Vielleicht würde er im Lauf der Zeit reden. Wenn nicht Worte der Liebe, so doch wenigstens Erklärungen. Und wenn er es nicht tat oder nicht konnte, war das auch nicht so schlimm. Sie hatte etwas Besseres als Erklärung. Sie hatte ihn selbst, in Fleisch und Blut. Sein Körper lag fest in ihren Armen. Welchen Anspr uch Midian auch an seine Erinnerungen haben mochte, Lylesburg war vollkommen deutlich gewesen: Es würde ihm niemals gestattet werden, hierher zurückzukehren. Statt dessen würde er nachts wieder neben ihr sein, und allein seine Gegenwart würde kostbarer als jede Zurschaustellung von Leidenschaft sein.

    151

    Mit der Zeit würde sie die Qualen Midians von ihm nehmen, wie sie die selbst auferlegten Qualen seines Wahnsinns von ihm genommen hatte. Darin war sie nicht erfolglos gewesen, wie Deckers Täuschungen sie hatten glauben machen wollen. Boone hatte kein heimliches Leben vor ihr verborgen, er war unschuldig. Wie sie. Sie waren beide unschuldig, und diese Tatsache hatte sie durch diese Nacht der Gefahren in die Sicherheit des Tages gebracht.

    152

4. Teil
HEILIGE UND SÜNDER
    »Möchtest du meinen Rat?
    Küß den Teufel, iß den Wurm.«
    JAN DE MOORY
    Another matter; or, Man remade

    153

    XV
    Die Totenglocke
    l
    Die Sonne ging wie eine Stripperin auf, sie ließ ihre Pracht von Wolken bedeckt, bis es schien, als würde es überhaupt keine Vorstellung geben, dann warf sie die Fetzen einen nach dem anderen ab. Mit zunehmender Helligkeit wuchs Boones Unbehagen. Lori kramte im Handschuh-fach und brachte

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