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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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vom rechten Weg abgeführt.«
    »Hast du das?« sagte Narcisse. Dann freundete er sich mit dem Gedanken an und sagte: »Ja, ich glaube, das hast du.«
    Er trug seine Eingeweide hinkend fort.
    Boone kniete neben Lori nieder. Ihr Geruch machte ihn benommen; ihre weiche Haut unter seinen Handflächen war beinahe überwältigend.
    Sie lebte noch; ihr Puls war trotz der Verletzungen, die sie aus Deckers Händen empfangen haben mußte, kräftig.
    Als er in ihr sanftes Gesicht sah, mißfiel ihm über alle Maßen der Gedanke, sie könnte aufwachen und ihn in der Gestalt sehen, die er durch Peloquins Biß geerbt hatte. In Deckers Gegenwart hatte er sich voller Stolz als Monster 132

    bezeichnet: um seine Nachtbrut-Persönlichkeit vorzuführen. Aber jetzt, als er die Frau ansah, die er geliebt hatte, und die ihn seiner Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit wegen wieder geliebt hatte, schämte er sich.
    Er atmete ein, seine Willenskraft machte Fleisch zu Rauch, den seine Lungen in den Körper zurücksogen. Es war ein Vorgang, der in seiner Mühelosigkeit so leicht war wie seine Natur. Wie schnell er sich an alles gewöhnt hatte, was er einst wundersam genannt hätte.
    Aber er war kein Wunder, nicht verglichen mit dieser Frau. Die Tatsache, daß sie genügend Glauben besessen hatte, mit dem Tod auf den Fersen nach ihm suchen zu kommen, war mehr als sich jeder natürliche Mann erhof-fen konnte; und für einen wie ihn wahrhaftig ein Wunder.
    Ihre Menschlichkeit erfüllte ihn mit Stolz auf das, was er gewesen war und immer noch vorgeben konnte zu sein.
    Daher hob er sie in seiner menschlichen Gestalt auf und trug sie zärtlich nach unten.

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    XIII
    Das prophetische Kind
    Lori lauschte den wütenden Stimmen.
    »Du hast uns betrogen!«
    Die erste gehörte Lylesburg.
    »Ich hatte keine andere Wahl!«
    Die zweite Boone.
    »Also wurden Midian deiner edlen Gefühle wegen aufs Spiel gesetzt?«
    »Decker wird es keinem erzählen«, antwortete Boone.
    »Was soll er sagen? Daß er versucht habe, ein Mädchen umzubringen, und ein Toter habe ihn daran gehindert?
    Seien Sie vernünftig.«
    »Demnach bist du jetzt der Experte. Ein paar Tage hier, und du schreibst das Gesetz. Tu das anderswo, Boone.
    Nimm die Frau und geh.«
    Lori wollte die Augen aufmachen und zu Boone gehen, wollte ihn beruhigen, bevor sein Zorn ihn dazu verleitete, etwas Dummes zu sagen oder zu tun. Aber ihr Körper war taub. Nicht einmal die Gesichtsmuskeln gehorchten ihren Anweisungen. Sie konnte nur still daliegen und dem erbitterten Streit zuhören.
    »Ich gehöre hierher«, sagte Boone. »Ich bin einer der Nachtbrut.«
    »Nicht mehr.«
    »Ich kann dort draußen nicht leben.«
    »Wir haben es getan. Wir sind jahrhundertelang in der natürlichen Welt Risiken eingegangen, und sie hat uns beinahe ausgerottet. Und jetzt kommst du daher und ver-nichtest fast unsere einzige Hoffnung zu überleben.
    Wenn Midian entdeckt wird,

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    seid ihr – du und die Frau – dafür verantwortlich. Denk auf deinen Reisen darüber nach.«
    Es folgte ein längeres Schweigen. Dann sagte Boone:
    »Laß es mich wiedergutmachen.«
    »Zu spät. Das Gesetz macht keine Ausnahmen. Auch der andere muß gehen.«
    »Narcisse ? Nein. Ihr werdet ihm das Herz brechen. Er hat sein halbes Leben darauf gewartet, hierher zu kommen.«
    »Die Entscheidung wurde getroffen.«
    »Von wem? Von dir? Oder von Baphomet?«
    Als sie diesen Namen hörte, verspürte Lori ein Schau-dern. Das Wort hatte keine Bedeutung für sie, aber für die anderen in der Nähe offenbar schon. Sie hörte ein Flüstern um sich herum hallen; wiederholte Ausdrücke, Worten der Verehrung gleich.
    »Ich verlange, mit ihm zu sprechen«, sagte Boone.
    »Unmöglich.«
    »Wovor hast du Angst? Die Macht über deinen Stamm zu verlieren? Ich möchte Baphomet sehen. Wenn du mich aufhalten möchtest, versuch es jetzt.«
    Als Boone die Herausforderung aussprach, schlug Lori die Augen auf. Sie sah ein Dachgewölbe über sich, wo sie zuletzt Himmel gesehen hatte. Es war jedoch mit Sternen bemalt, freilich mehr Feuerwerk als Himmelskörper; Feu-erräder, die Funken schleuderten, während sie sich am steinernen Firmament drehten. Sie neigte den Kopf ein wenig. Sie war in einer Gruft. Rings um sie herum standen Särge aufrecht an die Wände gelehnt. Links eine Ansammlung dicker Kerzen, deren Wachs fettig war, und ihre Flammen so schwach wie sie selbst. Rechts von ihr saß Babette mit überkreuzten Beinen auf dem Boden und betrachtete sie eingehend. Das

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