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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Ruge
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geweigert hatte, die Summen, über die wir verhandelten, aufzuschreiben. Mira , mira, sagte sie immer und tippte sich kurz unter das Auge, bevor sie ihre Angebote in der Art und mit der Geschwindigkeit einer Taubstummen an ganzen und halben Fingern aufzeigte. Ich log, was das Zeug hielt (so wie sie mich hinsichtlich der Busabfahrtszeiten belogen hatte), erzählte ihr von einem Quartier in Almería, das für die Hälfte des Preises zu haben sei. Sie warf theatralisch die Hände in die Luft und drehte ihren schildkrötenhaften Kopf hin und her. Ich schulterte mehrmals während unserer Verhandlung schon halb meinen Rucksack, versprach ihr andererseits, mindestens drei Monate zu bleiben, und zeigte mich noch immer schwankend, als wir bei zwölfhundert Pesetas einschließlich Mittagessen angekommen waren.
    Ich sei, sagte ich, Schriftsteller (ich hatte nachgeschlagen: escritor ) und bräuchte dringend einen Tisch zum Schreiben (den es in meinem Zimmer nicht gab), worauf sie mich zum Fenster winkte, mit den Worten mesa, mesa fest auf den großen Esstisch klopfte, als müsste sie beweisen, dass er echt war, und ihrem Angebot schließlich noch eine zweite Tasse Morgenkaffee zuschlug. Ich reichte ihr zögernd die Hand, und es gelang mir, wie damals dem Mann im blumigen Hemd, dabei ein Gesicht zu machen, als hätte ich hiermit mein Ende besiegelt.

    Am nächsten Tag kaufte ich:
– eine hellere Glühbirne,
– sechs Packungen Kerzen zu je zwanzig Stück,
– zehn unlinierte DIN-A5-Hefte samt ein paar Stiften, die, wie sich herausstellte, seltsamerweise violett schrieben.
    Die Hefte kaufte ich – selbstverständlich – zum Schreiben, und falls meine Enkel oder Urenkel (sofern sie noch Bücher lesen sollten) sich eines Tages fragen werden, warum ich kein Notebook dabeihatte, merke ich hier vorsichtshalber an, dass es einmal eine Zeit gab, in der nicht einmal Wohlhabende ein Notebook besaßen, ja, es gab sogar eine Zeit vor dem Notebook und vor dem Mobiltelefon, und obwohl ich heute ausschließlich auf dem Notebook schreibe (und obendrein ein iPhone besitze, auf dem ich heimlich unterm Tisch meine Flugdaten recherchiere, während ein Schauspieler meinen Text auf Japanisch oder Finnisch vorliest), war diese Zeit meine Zeit , und ich fürchte, dass ich ihr lebenslänglich angehören werde wie andere einer Nation oder einer Familie.
    Die Glühbirne schraubte ich heimlich anstelle der Vierzig-Watt-Funzel ein, die ich gewissenhaft in meinem Rucksack versteckte, um sie irgendwann, bei meiner Abreise, wieder einzusetzen.
    Die Kerzen ließ ich – immer sechs Stück auf einmal – am Abend in meinem Zimmer abbrennen, was die Lufttemperatur in dem kleinen Raum um schätzungsweise drei bis vier Grad erhöhte. Auf die Isomatte konnte ich zwar immer noch nicht verzichten, aber immerhin wurden mir die Finger nicht klamm, wenn ich am Abend im Bett lag und – eine andere Beschäftigung gab es nicht – Henry Millers Koloss von Maroussi las.
    Am Morgen duschte ich kalt, trotz der leichten Bronchitis, die ich mir zugezogen hatte, und trotz des jämmerlichen Wasserstrahls – ein Bad im Meer wäre vermutlich angenehmer gewesen, aber ich verwarf den Gedanken, wohl weil ich fürchtete, von den Einwohnern für verrückt gehalten zu werden. Dann ging ich zum Bäcker und kaufte mir ein kleines pan integral , eine Art Vollkornbaguette, ging anschließend ins Restaurant, setzte mich an meinen Tisch. Die Alte machte mir den versprochenen Kaffee, ich aß mein pan integral mit etwas Olivenöl und einer (stellenweise noch grünen) Tomate, die sie mir spendierte, wärmte meine Hände am heißen Kaffeeglas und schrieb mit noch immer vor Kälte steifen Fingern den ersten Satz in eines der frisch gekauften Hefte.
    Der erste Satz handelte, wenn ich nicht irre, von kleinen gescheckten Kötern, die alle gleich aussahen. Woran ich mich aber mit Sicherheit erinnere, ist die verbitterte Tonart, die sich, gewissermaßen über Nacht (oder über die Nächte), eingestellt hatte, an den grimmigen Rhythmus, in dem meine allumfassende Enttäuschung ihren Ausdruck fand.
    Später saß ich auf der Bank vor dem Restaurant. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, es war jetzt warm, aber ich erinnere mich, dass ich im Innern noch immer vor Erregung zitterte. Ich wagte nicht mehr, an das Geschriebene zu rühren, ja kaum, es noch einmal anzusehen. Ich saß einfach nur da und schaute aufs Meer, auf meinen Knien das erste, das blaue Heft mit der Ringbindung.
    Aber schon beim

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