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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Ruge
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Weiten des Meeres hin die amerikanische Hymne summe. Die Hand am Hutrand, militärischer Gruß, so stehe ich da und erweise meinem gefallenen amerikanischen Freund die letzte Ehre.
    Auf dem Rückweg: die Billardbar. Ich sitze an der Theke, nippe an meinem Kaffee, den mir der Barmann noch immer mit Gebäck und Zucker serviert. Starre in den Fernseher: ein Guckloch in eine andere Welt. Und frage mich, ob diese Welt nicht womöglich die richtige ist. Und die, in der ich bin, ein Trugbild?
    Der Sonnenuntergang kommt mir auf einmal künstlich vor. Ich sitze auf meiner Bank, versuche es zu empfinden: dass ich auf dem Planeten Erde bin, dass ich mich rückwärts drehend durchs Weltall bewege – doch was ich sehe, ist eine rote Scheibe, die jemand langsam, wie an einer unsichtbaren Strippe, ins Meer hinabzieht.
    Dann gehe ich auf meine Bude, lese zum soundsovielten Mal die Zeitung: Geschichten von EU-Kommissaren, die über den Durchmesser von Zwiebeln und Erdbeeren streiten; vom Staatsoberhaupt eines verschollenen Staats.
    Ein bisschen hilft es, Manchego zu essen. Wieso schmecken die Dinge am besten da, wo sie herkommen? Obwohl sie doch durch den Transport nichts Materielles, nichts Nachweisbares verlieren?
    Dann entzünde ich meine sechs Kerzen, lege mich aufs Bett. Starre die sechsfachen Schatten an, die nach einer Weile leicht zu zittern und zu hüpfen beginnen. Und nach einer Weile beginne ich selbst zu zittern und zu hüpfen.
    Das war, wenn ich mich recht entsinne, am Abend vor dem Abend, an dem die Katze erschien.

[zur Inhaltsübersicht]
    III
    Die Katze
    1
    Schon vor längerer Zeit hatte ich einige Postkarten geschrieben: Meinem Vater gegenüber fühlte ich mich verpflichtet, endlich über meinen Aufenthaltsort Auskunft zu geben; an Georg schrieb ich, dass es hier Schwärme fliegender Fische gebe, mit deren mentaler Energie die Straßenlaternen betrieben würden; und für Sarah, der ich beim Abschied versprochen hatte zu schreiben, hatte ich eine Postkarte mit Afrika-Flair ausgewählt und berichtete von Flamingos und Palmen und davon, dass hier täglich die Sonne scheine – ein Umstand, um den mich, so hoffte ich, Karolin (die vermutlich mitlas) beneiden würde.
    Dann lagen die Postkarten eine Zeitlang auf dem Fußboden, weil ich keine Briefmarken hatte und die kleine Poststelle immer geschlossen war, wenn ich vorbeikam. Und als ich dann endlich Briefmarken hatte, warf ich die halb an Karolin gerichtete Postkarte, weil sie halb an Karolin gerichtet war, trotz der schon aufgeklebten Marke in den Müll und beschloss, eine neue zu schreiben.
    Dann dauerte es wiederum ein paar Tage, bis ich eine Postkarte und insbesondere eine Briefmarke besorgt hatte, und dann endlich, eines Abends, schrieb ich an Sarah – von Drei-Gramm-Kwautsch, dem versehentlich verschrotteten Wesen, das hier in der Wüste auferstanden war, um mit mir täglich eine Runde Quassel zu spielen, ein Spiel, dessen Regeln ich Sarah nach meiner Rückkehr zu erklären versprach.
    Es war ziemlich genau acht Uhr, als ich mich noch einmal zum Briefkasten aufmachte. Der Briefkasten war kaum hundert Meter entfernt, nahe der Promenade, gleich in der Seitengasse, in der die Frau mit dem Gipsbein zu verschwinden pflegte. Ich war froh, die Sache endlich erledigt zu haben, ich summte vergnügt vor mich hin; ich erinnere mich aber auch, dass mich im Augenblick, als die Karte im Briefkasten verschwand, Traurigkeit überfiel: Die Vorstellung, wie Sarah diese Karte in der Hand halten würde, war auf einmal ganz nah, versetzte mich für Sekunden zurück in die Wohnung, in der wir fast zehn Jahre zusammengelebt hatten; fast roch ich die Bastmatten im Flur (unter denen ich, als Einziger, hin und wieder sauber gemacht hatte), ich sah das abgenutzte Faltrollo vor dem Regal am Ende des Flurs (das Karolin immer schief hochzog), erinnerte mich an den vor Jahren provisorisch von mir reparierten Spülkasten … und hätte das leise Mauzen hinter mir fast überhört.
    Ich drehte mich um, da stand sie: rotgetigert wie die Tote, Angekohlte, die ich draußen in der Steppe gesehen hatte.
    Ich ging zwei Schritte auf das Tier zu, es wich zurück. Ich hockte mich hin, sprach es an. Es mauzte, kam aber nicht näher. Ich wandte mich zum Gehen, und die Katze folgte mir.
    Sie folgte mir immer im gleichen Abstand, zwei, drei Meter vielleicht. Wenn ich stehen blieb, blieb sie stehen. Ging ich auf sie zu, wich sie zurück. Ging ich aber weiter, dann folgte sie mir erneut. Klug, dachte ich. Ein

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