Cachalot
Stadt gegen feindliche lokale Lebensformen geschützt ist. Jede verfügt über komplizierte Warnsysteme und großkalibrige Unterwassernadler, die automatisch funktionieren, wenn etwas zu nahe kommt.
Es gibt Leviatane in Cachalots Ozean, die größer sind als der größte Wal, der je gelebt hat. Die Nadler der Stadt sind durchaus imstande, selbst einen Mallost zu braten.«
»Was ist ein Mallost?«
»Etwas, das Sie hoffentlich nie zu Gesicht bekommen werden«, antwortete Hwoshien so eindringlich, daß sie verstummte. »Wie Sam schon sagt, ein Mallost hätte selbst mit einem Wal leichtes Spiel, würde aber selbst an eine kleine Stadt nicht einmal auf Tentakelwurfweite herankommen. Ein ganzes Rudel Wale, die sich perfekt aufeinander abstimmten, könnte vielleicht eine Stadt zerstören, aber sie denken nicht so. Zum einen gibt es keinerlei Wettbewerb zwischen den Cetacea und den Städten. Im großen und ganzen sind die Stadtleute hinter lokalen Lebewesen her, die für die Wale keinerlei Interesse haben. Das Plankton, das die Städter einsammeln und nach ein paar Arten aussieben, ist aus der Sicht der Wale belanglos. Auf dieser Welt gibt es mehr Plankton als eine Million mal so viele Bartenwale je verzehren könnten. Die Bartenwale sind die größten der Cetacea und auch die Dümmsten. Die Zahnwale, die eher imstande wären, einen solchen Angriff in Betracht zu ziehen, essen kein Plankton.«
»Und sie sind entweder freundlich gesinnt«, fuhr Mataroreva fort, »oder uns gegenüber gleichgültig, wie ich das schon früher erklärte. Wenn man sie nicht stört. Und dann waren ihre Reaktionen stets direkt und persönlich. Sie haben bisher keinerlei Interesse, so oder so, an den Städten gezeigt. Sie haben es auf die Togluts und die großen Teleosten abgesehen.
Die Catodonten, die größten der gezähnten Wale, bewegen sich zwar in Herden, sind aber außerstande, in militärischen Kategorien zu denken. Sie haben keinerlei Erfahrung in organisierter Kriegführung – dagegen stehen einfach zu viele Faktoren.« Und dann fügte er hinzu, als wäre es ihm soeben erst eingefallen: »Sie müssen ja wahrscheinlich jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Dazu sind Sie hier. Ich glaube aber nicht, daß die Wale den Voraussetzungen entsprechen, die wir für den mysteriösen Verursacher dieser Katastrophen etabliert haben.«
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, stocherte in seiner zweiten Portion Nachtisch herum und war sich jetzt offenbar in etwas peinlicher Weise der Reaktion bewußt, die sein ursprünglicher Ausbruch hervorgerufen hatte.
Cora schob ihren Stuhl zurück, betupfte sich mit der Serviette die Lippen, und zwang sich zu einem Lächeln, als sie zu Hwoshien sagte: »Vielen Dank für dieses ausgezeichnete Essen. Wir werden in ein paar Tagen, sobald wir uns ein wenig akklimatisiert haben, mit der Arbeit anfangen.«
»Sehr gut.« Hwoshien stand auf und schüttelte ihr die Hand. »Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abend.«
Mataroreva geleitete sie aus der Messe.
Der Weg, den sie betraten, schien mit Juwelen gepflastert, Juwelen von hellerem Glanz, größerer Farbenvielfalt als irgendein antiker Prinz, angefangen bei Harun-al-Raschid, sich je hätte erträumen können. Sie hatten mit dem Abendessen vor Sonnenuntergang begonnen, jetzt funkelten die Sterne auf gläsernem Sand und verwandelten ihn in ein Echo der fernen Milchstraße.
Sie schritten über eisiges Feuer dahin. Bauwerke und Bäume wurden zu Scherenschnitten, Spielzeugsilhouetten vor dem schwarzen Nachthimmel. Merced und Rachael waren etwas zurückgeblieben.
»Wie sind Sie denn Friedenshüter geworden?« fragte Cora Sam interessiert. »Sie sind gar nicht der Typ dazu.«
»Sie meinen, physisch würde ich ins Schema passen, aber geistig nicht?« Er grinste, weil er merkte, daß ihr die Frage peinlich war.
»Ich wollte damit nicht sagen…«
»Schon gut. Ich bin es gewöhnt. Ich bin einfach hineingedriftet, denke ich. Warum werden Leute eigentlich das, was sie werden? Das Leben geht verschlungene Wege und schlägt manchmal um winzige Ereignisse einen Bogen.«
»Nun, ich wollte immer Meeresbiologin werden.«
»Und ich wollte es immer leicht haben und glücklich sein«, konterte er. »Nicht gerade ein hochtrabendes Lebensziel, aber sehr befriedigend. Ich bin hier auf Cachalot geboren und aufgewachsen. Für die Wissenschaft fehlte mir die Begabung, und Fischen, Sammeln und Bergwerksarbeit waren mir zu anstrengend. Da blieb mir nur irgendein
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