Cachalot
letzten Signale des Lands von Mou’anui und der kleinen Motus, die das große Atoll umgaben.
Und dann war da nur noch der Ozean. Ozean, Luft und Sonne. Sie waren von Cachalot umgeben. Sie merkte, daß sie Hunger hatte.
Die Caribe stampfte nicht, da war nur das gleichmäßige weiche Vibrieren, das sich von den Tragflügeln her dem Rumpf mitteilte. Vom Rumpf wurde es auf ihre Matratze übertragen und weiter gedämpft. Schließlich wachte sie vom zu vielen Schlaf auf, benommen und mit einem unangenehmen Geschmack im Mund.
Das kleine Bullauge war verschlossen und ließ kein Licht von draußen herein. Ein Blick auf das Chronometer verriet ihr, daß sie fast zwölf Stunden geschlafen hatte. Sie hatte sich nicht für sonderlich müde gehalten, aber offenbar war ihr Körper anderer Ansicht gewesen.
Sie machte ihr Gesicht wieder einigermaßen präsentabel und ging, als sie sich wieder mehr als fünfzig Prozent menschlich vorkam, an Deck.
Sie fuhren jetzt mit etwas geringerer Geschwindigkeit. Wahrscheinlich um die Orcas nicht zu überanstrengen, vermutete sie. Rachael nahm auf dem hinteren Deck ein Sonnenbad. Merced war an diesem neuen Morgen nirgends zu sehen, und Sam stand auf dem Deck über der Zentralkabine hinter der Brücke.
Seine Kontrolleinheit lag neben ihm. Zu ihrer Überraschung las Sam ein Buch. Ein richtiges Buch, nicht ein Band oder eine Scheibe.
»la ora na – Morgen«, grüßte er sie. »Ich hab’ nicht oft das Vergnügen, jemanden kennenzulernen, der rückwärts lebt.«
»Ich schlafe noch halb, Sam«, meinte sie nur leicht gereizt. »Treiben Sie keine Spielchen mit mir. Wovon reden Sie?«
»Nur daß Sie jeden Tag jünger und schöner werden.«
»Wie nett.« Sie drehte sich um und blickte auf den endlosen Ozean hinaus, einen Anblick, der sich durch nichts von dem des letzten Tages unterschied und der auch morgen nicht anders sein würde. »Wenn ich den ganzen Weg zurück zum Ei geschafft habe, gehöre ich Ihnen.«
»Gebraten, gekocht, als Rührei oder als Omelett?«
»Hart gekocht«, antwortete sie, um ihm nichts schuldig zu bleiben. Sie blickte zur leeren Brücke. »Mit oder ohne Fernsteuerung, sollten Sie nicht dort oben sein und Ihre Instrumente bewachen?«
»Zum Beispiel? Sie machen sich zuviel Sorgen, Cora.« Er lehnte sich in seinen Liegestuhl zurück. Das Gewebe, aus dem er bestand, kühlte seinen Rücken und verhinderte, daß er zu stark schwitzte. »Das Commonwealth ist schon seit Jahrhunderten übertechnisiert. Wenn irgend etwas schief geht, wird das Schiff anhalten. Solange es nicht anhält, gibt es auch für mich keinen Grund, die Instrumente zu überwachen. Sie denken immer noch so, wie man auf den Ozeanen höher entwickelter Welten denkt.
Hier gibt es im Umkreis von Kilometern keine Insel und kein Riff. Dieser Teil der See so dicht bei Mou’anoui ist ziemlich genau kartographisch erfaßt. Die Wahrscheinlichkeit, daß wir einem anderen Schiff begegnen, geschweige denn mit einem kollidieren, beträgt etwa eins zu ein paar Millionen. Ein echter Passagier gibt sich damit zufrieden, Passagier zu sein, und überläßt es seinem Schiff, alles weitere zu erledigen. Dafür ist es gebaut. In dem unwahrscheinlichen Fall, daß wir etwas begegnen, wird es uns rechtzeitig warnen. Sie glauben doch nicht, ein Schiff, das so klug ist wie das hier, baut Bruch, bloß weil es ein paar dumme Menschen an Bord hat, oder?«
»Okay – dann bitte ich um Nachsicht.«
Ein paar hohe Pfiffe und Quietschlaute mischten sich in ihr Gespräch. Sie blickten nach Steuerbord. Sam legte sein Buch beiseite und runzelte die Stirn. »Das ist Latehoht. Sie spricht mit Ihnen.«
»Woher wissen Sie das und warum mit mir?«
»Ich verstehe ein wenig Orca. Was Ihre zweite Frage betrifft…« – er lächelte zu ihr hinüber – »fragen Sie sie doch selbst. Sie werden Ihre Kopfhörer brauchen. Und beeilen Sie sich.« Er blickte nach oben. »Bald wird heißer Mittag sein, dann tauchen die unter das Schiff. Sie bewegen sich gerne im Rumpf schatten.«
Sie schickte sich zum Gehen. »Er ist in meiner Kabine. Ich hole ihn.«
»Lassen Sie nur, nehmen Sie meinen!« Er deutete darauf.
Sie entdeckte die Übersetzungseinheit, stülpte sie sich über den Kopf und drehte an der Skala. Dann lehnte sie sich über die Reling und rief: »Guten Morgen.«
»Heil und gute Jagd, grrüße die Sonne!« hallte es erfreut zurück. Einen Augenblick lang verschwand der elegante, stromlinienförmige, schwarz-weiß gefärbte Körper, um nur
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