Cachalot
irgendeiner neuen Kampfweise bedurfte, um diesen Krieg zu beenden.
So gab er vor, erschöpft zu sein, ließ den Speer seines Gegners dicht an sich heran, so dicht an seinen Bauch, daß Blut aus einer Wunde quoll. Dann machte er kehrt, um mit schlaffen Flossenschlägen davonzuschwimmen. Als der Megalichthyianer die Schwäche und somit seinen Triumph witterte, beschleunigte er seine Verfolgung, kam immer näher und näher und schickte sich an, Poleetat von der Schwanzflosse bis zur Nase zu durchbohren.
Und Poleetat setzte seine scheinbar letzten Kräfte ein, spurtete davon und schoß aus dem Wasser, als wollte er fliehen. Der Megalichthyianer folgte ihm voll Verachtung.
Ah, doch Poleetat hatte die Distanz gut abgeschätzt. Er schoß durch die Luft und flog über das dicke Eis, um in unglaublicher Entfernung zu landen – und sauber durch das Loch zu fallen, das er entdeckt hatte.
Aber der Megalichthyianer paßte ebensowenig durch das vergleichsweise kleine Loch, als die Seewürmer der Lagunenböden durch die Atemschächte einer Muschel gleiten können. Er landete hart auf dem Eis, das unter ihm zwar ächzte, aber nicht nachgab.
Da lag er nun, um sich schlagend, hilflos unter dem Druck seines eigenen mächtigen Gewichts. Poleetat schwamm ins offene Meer zurück, streckte den Kopf aus dem Wasser, um seinen gestrandeten Feind zu begutachten. Die Zuckungen ließen nach, und das Ungeheuer starb bald, denn es konnte nicht Luft atmen, so wie Orcas und Menschen das können.
Mit seinen letzten Kräften rief der sterbende Poleetat die Orcas von überall herbei und sagte ihnen, sie könnten jetzt in Sicherheit mit ihren Kälbern schwimmen, denn dieser besonders gefährliche Feind sei besiegt. Dann starb er, und an jenem Tag herrschte ein großes Klagen in der See von Pol zu Pol. Die Orcas schafften es schließlich, den Schwanz des Megalichthyianers auf dem Eis zu schnappen und zogen ihn ins Meer zurück und labten sich tagelang an ihm, und machten dieses Lied, auf daß Poleetat nicht tot bleiben, sondern immer wieder in den Geschichten neu geboren werden sollte, die die Eltern auf den langen Jagden ihren Kälbern erzählen.
»Das war eine wunderschöne Geschichte«, sagte Cora schließlich. »Es gibt eine unglaubliche alte menschliche Geschichte, die ihr ähnelt, sie dreht sich um einen Mann namens Herkules und einen Ringer namens Antaeus, der seine Kräfte verlor, wenn man ihn von seiner Mutter, der Erde, dem festen Boden, entfernte.«
»Die Geschichte mußt du mir einmal erzählen«, sagte Latehoht.
»Ja!« Wenkoseemansa mochte kein großer Redner sein, aber er verstand sich offenbar auf das Zuhören. »Einmal mußt du uns die Geschichte errzählen, und dann werden wir zuhörren, zuhörren.« Er schien interessiert.
»Habt ihr keine Geschichten von der Zeit, ehe ihr nach Cachalot kamt?« fragte Cora. »Geschichten von der Erde, von Terra?«
»Geschichten aus der Vergangenheit«, murmelte Latehoht. »Geschichten aus der Zeit der Trauer.«
»Wir greifen nicht in die Vergangenheit zurück«, sagte Wenkoseemansa streng. »In der Zeit der Plagen, die Zeit des Schrrreckens.« Er schien verstimmt. »Jetzt gehen wir zum Orrt des kürzlichen Sterbens von Mennschen.« Zu zweit Schossen sie nach vorne, am Bug vorbei.
»Wartet! Ich wollte nicht…«
Sie nahm den Kopfhörer ab und erklärte Sam, was geschehen war. »Jetzt habe ich sie beleidigt, nicht wahr? Sind sie verstimmt, weil, sie keine solchen Geschichten haben?«
»Oh, sie erinnern sich schon.« Er sprach ganz leise. »Viele von ihnen kennen die Geschichten noch, die von Generation zu Generation auf dieser Welt überliefert wurden. Sie haben keine mechanischen Archive, aber in ihren mächtigen Gehirnen können sie viel mehr aufbewahren als wir. Es stört sie nur, sich erinnern zu müssen.
Sehen Sie, die erinnern sich an die Erde als ein Paradies. Bis bei den Menschen die >Intelligenz< entstand. Dann wurde aus dem Paradies eine Vorhölle.«
»Ich kenne die Geschichte der alten Walfänger.« Es fiel ihr schwer, das Wort auszusprechen. »Ich hätte geglaubt, all das wäre… «
»Inzwischen vergessen?« führte er den Satz für sie zu Ende. »Ich sagte Ihnen ja gerade, die vergessen nicht. Es gibt auf vielen Welten Bürger des Commonwealth, die ihre Herkunft auf ein Volk zurückführen, das man die Juden nannte. Sie empfinden, wie ich hörte, besonderen Abscheu für eine Periode der terranischen Geschichte, die man nach dem alten Kalender als die Mitte des Zwanzigsten
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