Cachalot
Sekunden später wieder hervorzubrechen. »Ein guter Tag, um zu lieben, zu schwimmen, zu essen und zu denken.«
»Heil und Morrgen«, hallte ein etwas tieferes Echo. Wenkoseemansa begrüßte sie aus der Nähe. Cora stellte fest, daß man, wenn das Schiff Fahrt machte, einen besonderen Gesprächsstil brauchte, einen, in den Pausen eingebaut waren, wenn die Wale untertauchten. Aber der Walmann tauchte nicht wieder auf.
»Was ist denn mit Wenkoseemansa?« fragte Cora Sam und schob dabei das Mikrophon beiseite, damit ihre Frage nicht übersetzt wurde. »Mag er mich nicht?«
»Wie kommen Sie darauf, daß Latehoht Sie mag?« spottete er. »Kümmern Sie sich nicht um Wenkoseemansa. Er ist der starke, schweigsame Typ.«
»Einfrrau von annderer Welt!« hallte ein neuer Ruf. Cora wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wasser zu. Von dem Punkt aus, an dem sie stand, konnte sie den ganzen machtvollen Körper sehen. Er schnitt durch die Wellen wie ein Schiff durch das Vakuum, spielerisch, manchmal nur Zentimeter von dem scharfen, biegsamen Metall des vorderen Steuerbordschwimmers entfernt.
»Hör dir eine Geschichte an, eine Geschichte!«
Wenkoseemansa tauchte wieder auf, sagte aber nichts. Er tauchte unter seiner gesprächigeren Gefährtin durch, raste an dem gefährlichen Schwimmer vorbei und ließ ihn seine Schwanzflossen küssen.
»Ich könnte dir den ganzen Tag zuhören«, erwiderte Cora ehrlich.
»Nicht so lanng«, verbesserte Latehoht sie schnell.
Cora hörte ein Geräusch, schob sich den Kopfhörer zurecht und hörte auf Terranglo: »Der Translator hat Schwierigkeiten mit idomatischen Wendungen«, erklärte Sam. »Versuchen Sie so wörtlich wie möglich zu sprechen, selbst wenn Latehoht das nicht tut. Und passen Sie auf, sonst entgeht Ihnen etwas Gutes.« Er drehte sich zur Seite und sein mächtiger Bauch bedeckte den Instrumentengürtel, der seine Taille umgab.
»Latehoht ist eine gute Geschichtenerzählerin. Orcas erzählen gerne Geschichten. Sie halten sich alle für Dichter. Manchmal glaube ich, daß sie die Gesellschaft von uns Menschen nur suchen, weil sie hoffen, jemand Neuen zu finden, der ihnen zuhört. Seien Sie also eine gute Zuhörerin.«
Und Latehoht fing, von manchen Pausen unterbrochen, in denen sie untertauchte, an, die Geschichte von Poleetat zu erzählen, einem ihrer Vorfahren und einem der ersten Orca, die nach Cachalot gekommen waren. Wie es schien, begegnete Poleetat bei der Erforschung seiner neuen Heimat einem Megalichthyianer, einem der größten Geschöpfe, die die Ozeane Cachalots bewohnen. Der Megalichthyianer war viermal so schwer wie Poleetat, seine Zähne waren scharf und klein und zahlreich, und er besaß einen mächtigen Hauer, der wie ein Schwert aus seinem Unterkiefer hervorstach.
Im Gegensatz zu manchen jüngeren Orcas versuchte Poleetat nicht, den Megalichthyianer zu beißen. Statt dessen hielt er sich außer Reichweite jenes mörderischen scharfen Hauers und bedrängte seinen Besitzer, verspottete ihn, jagte ihn bis zur Ermüdung und forderte ihn immer wieder heraus. Und die ganze Zeit stieß der wütende Megalichthyianer, der bereits einige weniger vorsichtige Orcas getötet oder schwer verwundet hatte, immer wieder nach seinem Quälgeist.
Am Ende waren alle anderen Orcas entweder verwundet worden oder verwirrt vor ihm geflohen, weil sie nicht wußten, wie sie diesem fremden Feind begegnen sollten. Es war dies auch kein gewöhnlicher Megalichthyianer, erklärte Latehoht, sondern ein verzauberter. Er ermüdete nie und gab auch den Kampf nie auf.
Doch Poleetat, auch wenn seine Kräfte schwanden, weigerte sich zu fliehen, oder auch nur zum Essen eine Pause zu machen, damit dieses gefährliche Monstrum nicht andere Mitglieder seines Rudels verletzte. So kämpften sie ein Duell, einen Tanz des Todes, und der verzauberte Megalichthyianer stieß immer wieder zu, tanzte und wich aus, und brauchte nur ein einziges Mal mit seinem mächtigen Hauer zu treffen, um seinen Feind zu töten, während Poleetat den mächtigen, gefleckten Feind immer nur umkreiste, nach seinen Flossen und seinem Schwanz schnappte, und versuchte, eines der zahlreichen Augen des Feindes abzubeißen.
Um die ganze Welt führte sie ihr Tanz. Sie wechselten die Richtung und kämpften von Pol zu Pol, kämpften sogar unter den Eisfeldern. Und immer noch ermüdete der Megalichthyianer nicht. Aber Poleetat, obwohl er der kräftigste aller Orcas war, näherte sich dem Ende seiner Kräfte und sah, daß es jetzt
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