Cadence Jones ermittelt: Drei sind zwei zu viel (German Edition)
wollte, als er für ein Kind verantwortlich war.
Er hatte unbedingt einen Sohn haben wollen. Und war kein Mann, der eine Enttäuschung, gleich welcher Art, verzieh, ebenso wenig, wie er darüber erhaben war, die Unschuldigen zu bestrafen. Nie ließ er Michaela seine Enttäuschung darüber vergessen, dass sie ein Mädchen geworden war.
Und nachdem er sie schließlich zu seinem jüngsten Opfer gemacht hatte, hat ihn sein kleines Mädchen kastriert. Nach dem Missbrauch hatte sie ihn mit ihrem Softballschläger am rechten Ohr erwischt und bewusstlos geschlagen.
Während ihr Peiniger ohnmächtig war, schaffte Michaela es dann irgendwie, ihn mit Isolierband an einen Küchenstuhl zu fesseln, danach beschäftigte sie sich zunächst den ganzen Tag damit, andere Dinge zu kastrieren – Möhren, Schweinelende, Gurken, Baguettes, Sellerie. Als sie sich schließlich wieder ihrem Vater widmete, war dieser vor Angst fast von Sinnen, doch sein hysterischer Protest bewahrte ihn nicht davor, das gleiche Schicksal wie Sellerie, Schweinelende und Brot zu erleiden.
Er verblutete, während er auf den Krankenwagen wartete, den Michaela nicht gerufen hatte.
Zu diesem Zeitpunkt war sie elf Jahre alt.
53
»Oh Gott!« Emma Jan rieb sich den Nasenrücken. »Das ist eine der schlimmsten Geschichten, die ich je gehört habe. Und dabei stamme ich aus einer ehrwürdigen Alkoholikerdynastie.«
»Ich denke, sie hat eine ganze Menge bewältigen müssen, um dorthin zu gelangen, wo sie jetzt ist.« Ich konnte Michaela nicht besonders gut leiden, aber ich achtete sie doch immerhin und hatte sogar ein wenig Angst vor ihr, so ungern ich das auch zugebe.
Anders als Cadence war ich nicht der Auffassung, dass Michaela ihre Zuneigung zu uns verbarg. Ich glaube, sie scherte sich keinen Deut um uns, und das war auch ganz in Ordnung so, solange wir nur Leistung brachten. Ich hoffte, dass es kein Fehler gewesen war, Emma Jan Michaelas Geschichte zu erzählen.
»Ich kann sie eigentlich nicht leiden, weißt du.«
Emma Jan bedachte mich mit einem merkwürdigen Blick. »Das hast du schon einmal gesagt. Bist du sicher?«
»Ich wünschte mir nur, dass du dir sicher bist.«
»Ich glaube, du magst sie doch.«
»Nein!« Ich spürte, wie sich meine Hand um die Pistole im Beutel krampfte und zwang mich, die Finger von der Waffe zu lösen. Es ist keine gute Grundlage für eine Freundschaft, wenn man über einen Menschen herzieht, der davon nichts ahnt.
»Ich rede nicht von mögen in dem Sinne«, erklärte Emma Jan geduldig, ohne im Geringsten zu ahnen, dass sie in Gefahr schwebte, getötet zu werden. »Du möchtest vielleicht, dass sie dich mag. Ich glaube, du blickst zu ihr auf und möchtest ihr gefallen.«
»Sie ist meine Vorgesetzte.« Mann! Echt schwer, das durch zusammengebissene Zähne hervorzupressen.
»Ja, und möglicherweise eine Art Mutterersatz.«
»Nein!«
»Jaa, du hast ja recht, was weiß ich schon davon?«
»Stimmt auffallend!«
»Weil ich neu bin und überhaupt.«
»Ganz genau! Du hast keine Ahnung!«
»Jetzt chill dich mal, Shiro, du kreischst ja.«
»Ich … brauche … neue Ohrstöpsel.« Ich schüttelte den Kopf, um die schrillen Schallwellen zu vertreiben, die ich selbst erzeugt hatte. »Unser Wettkampf … «
»Oh. Tja, da ich schon für die Revanche gerüstet bin, solltest du dir schnellstens welche besorgen.« Emma Jan seufzte und stopfte die leeren Magazine in eine Seitentasche ihres Beutels. »Gibt’s hier überhaupt irgend einen mit einer glücklichen Lebensgeschichte? Oder meinetwegen einer traurigen, aber wenigstens mit Happy End?«
Ich schüttelte meine Verärgerung ab. Michaela? Ein Mutterersatz? Allenfalls für einen wütenden Stier. »Wie meinst du das? Hier in Amerika? Oder hier auf der Erde?«
»Hier bei BOFFO .«
»Ach so. Nein.« Ich überlegte kurz. »Nein. In unserer Einheit wirst du ausschließlich auf traurige Geschichten und Halcion-Höchstdosen stoßen.«
»Und auf Waffen.«
Ich grinste. Es fühlte sich ein wenig steif an, doch nach einer Weile entspannten sich meine Züge. »Ja. Und Waffen.«
Ich erwog, mich nach Emma Jans Lebensgeschichte zu erkundigen, bremste mich aber im letzten Moment noch. Das ist meine Methode: Wenn ich anfange, die Grenzen zu durchbrechen, die andere um ihre Geheimnisse errichtet haben, ziehe ich mich stets zurück.
In vielerlei Hinsicht bin ich ebenso ein Feigling wie Cadence.
»Hab ich das eben richtig verstanden? Deine Verflossene?«
»Hmm?« Sie war damit beschäftigt,
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