Cäsar Birotteau (German Edition)
Gaudissart. »Siehst du, ich sorge für alles!«
Wirklich brachte ein Kellner, dem zwei Küchenjungen folgten, in drei Körben ein Diner für drei Personen und sechs Flaschen exquisiten Wein.
»Himmel! Wohin soll denn all das Essen?« rief Popinot erstaunt aus.
»Unser Gelehrter Finot ist auch noch da! Denkst du, der bleibt weg? Der bringt einen Bärenhunger und einen Mordsdurst mit! Darauf kannst du dich verlassen!«
»Fort, ihr Kerle!« herrschte er die Küchenjungen an. »Hier ist Mammon!«
Mit einer Geste, deren sich sein angebeteter Napoleon nicht hätte zu schämen brauchen, spendete er ihnen zehn Sous.
»Und du, mein Sohn!« sprach er zu dem Burschen, der zur Bedienung zurückblieb. »Es gibt hier im Hause irgendwo in der Tiefe eine Höhle, in der sie haust, eine Hausmannsfrau! Begib dich zu selbiger, flehe ihren Beistand an und begeistere sie dafür, diese Schüssel auf ihren Herd zu setzen. Sage ihr, junger Mann, der Segen Gottes werde auf ihr ruhen, und ebenso der Segen des Herrn Felix Gaudissart, des Sohnes des seligen Herrn Johann Franz Gaudissart, Enkels und Urenkels der Gaudissarts, seiner Vorfahren, lauter echter alter gemeiner Proletarier! Lauf und sieh zu, daß alles geschieht, so ich gesagt! Sonst dreh ich dir einen Zirkumflex in deine Visage!«
Der Klopfer dröhnte von neuem gegen die Tür.
»Da kommt unser Voltaire, der lang Erwartete!« sagte Gaudissart.
Ein pausbäckiger, dicker, mittelgroßer Bursche, der vom Scheitel bis zur Sohle etwas Steifes und Altkluges an sich hatte, erschien alsbald auf der Bildfläche. Sein Kalmückengesicht, das Elend und Armut verriet, hellte sich merklich auf, als er den einladenden Tisch und den Wein erblickte. Seine grauen Augen bekamen Glanz. Er begrüßte Popinot auf eigenartige Weise: ohne Unterwürfigkeit, ohne Respekt, just wie einer, der sich nicht an seinem Platze fühlt, aber keine Zugeständnisse machen will. Er war gerade damals zu der Einsicht gekommen, daß er durchaus kein literarisches Genie war. Trotzdem hatte er sich vorgenommen, bei der Literatur zu bleiben, geistreiche Leute auszubeuten und damit Geschäfte zu machen, anstatt selber schlecht bezahlte Werke zu schreiben.
Er hatte es satt, sich mit demütigenden Bemühungen und Versuchen zu befassen; er wollte fortan wie finanziell gutgestellte Leute dreist auftreten. Zunächst brauchte er Geld, und deshalb hatte ihn Gaudissart mit in die Ölangelegenheit gezogen.
»Du wirst auf seine Rechnung mit den Zeitungen unterhandeln«, hatte ihn Gaudissart instruiert. »Richte ihn aber ja nicht zugrunde, sonst gibt's ein Duell auf Leben und Tod! Mach ihm für sein Geld eine brauchbare, ordentliche Reklame!«
Popinot betrachtete den Ankömmling unruhig. Der echte Kaufmann steht einem Schriftsteller immer mit gemischten Gefühlen gegenüber. Popinot hatte zwar eine gute Schulbildung genossen, aber die Lebensanschauung, die Ideen, die Gewohnheiten seiner Umgebung und die verdummende Ladenluft hatten seinen Verstand wieder eingeengt und eingeschränkt. Man kann diese Erscheinung an neunundneunzig von hundert Schulkameraden beobachten, die gleichzeitig mit einem die gleiche Schule verlassen haben, wenn man sie nach zehn oder zwanzig Jahren wiedersieht. Finot nahm Popinots Schweigen für geheime Bewunderung.
»Erledigen wir den Prospekt vor dem Essen!« schlug Gaudissart vor. »Wir können dann um so vergnügter zechen! Nach dem Essen arbeitet sich's schlecht! Die Zunge will nach ihrer Berufstätigkeit auch ihr Mittagsschläfchen halten!«
»Herr Finot«, bemerkte Popinot, »ein Prospekt ist oft soviel wie ein Vermögen!«
»Für Leute meines Schlages«, entgegnete der Schriftsteller, »ist Vermögen nur Prospekt.«
»Allerliebst!« fiel Gaudissart ein. »Herr Andochius hat Witz wie ein Akademiker!«
Der ungeduldige Gaudissart nahm das Manuskript des Prospekts in die Hand und begann laut und mit Emphase vorzulesen:
»Kephalol!«
»Kephalol!« wiederholte Popinot nachdenklich. »Wenn ich ehrlich sein soll, muß ich gestehen: ich hätte lieber ›Cäsarinen-Öl‹!«
»Liebster Freund«, entgegnete Gaudissart, »du kennst die Provinzler nicht! Bei ›Cäsarinen-Öl‹ denken sie natürlich an Julius Cäsar, und der Gedankensprung von diesem Manne auf unser Haaröl ist ein bißchen gar zu umständlich!«
»Ohne das von mir vorgeschlagene neuerfundene Wort herausstreichen zu wollen«, sagte der Schriftsteller, »bemerke ich nur, daß Kephalol soviel sagen will wie Öl ( oleum ) für den Kopf (
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