Cäsar Birotteau (German Edition)
Cäsar seiner Frau und seiner Tochter seine Erlebnisse berichtete, war er überrascht, daß ihm Konstanze, die sonst bei der geringsten Mißlichkeit im Geschäft die Unglücksraben fliegen sah, milden Trost zusprach und ihm versicherte, es würde noch alles gut gehen.
Am andern Morgen stand er bereits früh um sieben Uhr Posten in du Tillets Straße. Er bat den Hausmeister, ihn mit du Tillets Kammerdiener in Verbindung zu bringen, und gab ihm zehn Francs Trinkgeld. Dadurch gelang es ihm, zu dem Diener vorzudringen, dem er zwei Goldstücke in die Hand drückte. Er erreichte damit seinen Zweck.
Halb neun Uhr, als der Bankier eben verschlafen und sich räkelnd den Schlafrock anzog, stand Birotteau diesem rachegierigen Tiger gegenüber, in dem er seinen letzten Freund zu sehen wähnte.
»Es ist die höchste Zeit!« rief ihm Birotteau zu.
»Na, was ist denn los, mein lieber Cäsar?« erwiderte ihm sein früherer Kommis gähnend.
Unter furchtbarem Herzklopfen berichtete er ihm den Bescheid und die Bedingung Nucingens. Du Tillet hörte kaum darauf; er suchte nach dem Blasebalg und schimpfte auf den Diener, der kein ordentliches Feuer im Kamin gemacht hätte. Birotteau hatte die Anwesenheit des Dieners nicht bemerkt; als er ihn endlich erblickte, hielt er verwirrt inne, fuhr aber in seiner Rede fort, als ihm du Tillet einen Spornschlag gab.
»Weiter! Weiter! Ich höre ja!«
Birotteau war in Schweiß gebadet; aber sein Schweiß gefror zu Eis, als er du Tillets Blick – diesen starren Blick aus silbernen Augäpfeln, in denen Goldäderchen schimmerten – auf sich gerichtet sah. Der Teufelsblick ging ihm durch Mark und Bein.
»Verehrter Gönner, die Bank von Frankreich hat von Ihnen ausgestellte Wechsel, die durch die Firma Claparon ohne Gewährleistung an Gigonnet gelangt sind, zurückgewiesen. Ist das meine Schuld? Wie können Sie als ehemaliger Handelsrichter solche Geschichten machen? Ich bin in erster Linie Bankier! Ich gebe Ihnen gern, mein Geld, aber ich habe keine Lust, meine Wechselunterschrift der Gefahr auszusetzen, von der Bank zurückgewiesen au werden. Ich existiere einzig und allein durch den Kredit. So geht es uns allen! Sie wollen Geld?«
»Können Sie mir so viel geben, wie ich brauche?«
»Das hängt von der Höhe der nötigen Summe ab. Wieviel müssen Sie haben?«
»Dreißigtausend!«
»Mehr nicht?«
Du Tillet lachte. Birotteau, den der Luxus der Umgebung narrte, hielt das Lachen für das Lachen eines Mannes, dem dreißigtausend Francs eine Kleinigkeit sind.
Du Tillet klingelte.
»Der Kassierer soll mal raufkommen!«
»Er ist noch nicht da!«
»Bummelei! Die Kerle tanzen mir auf der Nase nun! Es ist dreiviertel neun! Um die Zeit könnten schon für eine Million Geschäfte erledigt sein!«
Fünf Minuten später erschien Legras.
»Wieviel haben Sie bar in der Kasse?«
»Nur zwanzigtausend Francs! Der Herr haben befohlen, für dreißigtausend Francs Staatspapiere gegen bar zu kaufen, zahlbar am Fünfzehnten.«
»Es ist ja wahr! Ich bin noch halb im Schlaf.«
Der Kassierer schielte Birotteau an und ging wieder.
Nach einer qualvollen Pause, während der dem Parfümhändler die Schweißperlen auf die Stirn traten, tat du Tillet die Frage:
»Sind Sie nicht Teilhaber an dem neugegründeten Geschäft des kleinen Popinot?«
»Ja!« gab Cäsar treuherzig zur Antwort. »Glauben Sie, daß ich auf einen Wechsel von ihm eine namhafte Summe bekomme?«
»Bringen Sie mir ein Akzept von ihm auf fünfzigtausend! Ich will es Ihnen gegen ein kleines Damnum bei einem gewissen Gobseck unterbringen, einem guten Kerl, wenn er bei Gelde ist, und das ist er!«
Ganz niedergeschmettert kam Birotteau nach Hause. Er merkte immer noch nicht, daß sich ihn die Geldleute einander zuwarfen wie einen Ball beim Tennisspiel. Konstanze war überzeugt, daß es für ihn keinen Kredit mehr gab. Da sich bereits drei Bankiers geweigert hatten, so lag es auf der Hand, daß man sich gegenseitig informiert hatte, zumal Cäsar eine stadtbekannte Persönlichkeit war. An die Bank von Frankreich als Hilfsquelle war gar nicht mehr zu denken.
»Sieh zu, daß du die alten Wechsel prolongiert bekommst!« riet Konstanze. »Geh zunächst mal zu Claparon, dann zu den übrigen, die Akzepte von dir zum Fünfzehnten haben! Bitte sie um Prolongation! Dann ist es immer noch Zeit, mit einem Papier von Popinot zu einem »Wucherer zu gehen.«
»Morgen ist schon der Dreizehnte!« jammerte Birotteau hilflos.
Wie es auf dem Prospekt des
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