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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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geschädigt wird, begegnet ist. Die Gläubiger Birotteaus fanden auch die geringste Habe des Unglücklichen zu ihrer Verfügung vor: seine Kleider, meine Herren Richter, seine Schmucksachen, Dinge des täglichen Gebrauchs, und zwar nicht nur die seinigen, sondern auch die seiner Frau, die auch auf alle ihre Rechte zugunsten der Konkursmasse verzichtete. Damit hat sich Birotteau des Ansehens, das ihm sein städtisches Ehrenamt eingetragen hatte, würdig erwiesen; er war damals Beigeordneter des Bürgermeisters im zweiten Bezirk und hatte eben das Kreuz der Ehrenlegion erhalten, das ihm ebensosehr wegen seiner royalistischen Hingebung, mit der er im Vendémiaire auf den Stufen von Saint-Roch gekämpft hatte, die mit seinem Blute gerötet wurden, wie für seine Tätigkeit als Handelsrichter, in der er wegen seines klaren Urteils geschätzt und wegen seiner vermittelnden Hilfsbereitschaft verehrt wurde, und seiner Stellung als bescheidener städtischer Beamter, der die Ehre, Bürgermeister zu werden, abgelehnt und hierfür auf einen Würdigeren, den verehrten Herrn von Billardière, einen der edelsten Vendéer, hingewiesen hat, den er in den schlimmen Tagen schätzen gelernt hatte.«
    »Diese Wendung ist schöner als meine«, sagte Cäsar leise zu seinem Onkel.
    »Da die Gläubiger infolge des loyalen Verhaltens dieses Kaufmanns, seiner Frau und seiner Tochter, die ihre ganze Habe hergegeben hatten, eine Dividende von sechzig Prozent auf ihre Forderungen erhielten, unterzeichneten sie den Vergleich unter Betonung ihrer Hochachtung für den Schuldner und verzichteten auf den Rest ihrer Ansprüche. Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den Text dieses Vergleichs hin.«
    Hier verlas der Generalstaatsanwalt die betreffende Stelle des Vergleichs.
    »Angesichts einer so wohlwollenden Stellungnahme, meine Herren Richter, würden viele Kaufleute sich ihrer Verpflichtungen für enthoben angesehen haben und stolzen Hauptes wieder in der Öffentlichkeit erschienen sein. Weit entfernt hiervon, beschloß Birotteau, ohne sich entmutigen zu lassen, sich den glorreichen Tag, der heute zu seinem Ruhme erschienen ist, zu erobern. Und davon hat er sich durch nichts abschrecken lassen. Von unserm vielgeliebten Monarchen wurde ihm eine Stellung gegeben, damit der bei Saint Roch Verwundete sein Brot hätte; dieser aber bewahrte sein Gehalt für seine Gläubiger auf und verbrauchte nichts davon für seinen Unterhalt, denn die hingebende Fürsorge seiner Familie stand ihm zur Seite ...«
    Hier drückte Birotteau weinend seinem Onkel die Hand.
    »Auch seine Frau und seine Tochter legten den Ertrag ihrer Arbeit in die gemeinsame Sparbüchse, denn sie teilten Birotteaus edle Grundsätze. Beide entsagten ihrer Stellung, um eine niedrigere anzunehmen. Solche Opfer, meine Herren Richter, verdienen laut gerühmt zu werden, denn sie sind am schwersten von allen zu bringen. Folgende Aufgabe hatte sich Birotteau gestellt.«
    Der Generalstaatsanwalt verlas nun die Konkurstabelle und benannte die noch geschuldeten Beträge und die Namen der Gläubiger.
    »Ein jeder dieser Schuldbeträge ist bezahlt worden und zwar mit Zinsen, meine Herren Richter, und nicht etwa gegen einfache Quittungen, die eine strenge Nachprüfung erfordern, sondern gegen authentische Quittungen, die der gewissenhaftesten richterlichen Prüfung standhalten, und die amtlich in der gesetzlich vorgeschriebenen Form als richtig befunden worden sind. Sie werden Birotteau nicht seine Ehre, aber die Rechte, deren er sich beraubt sah, wieder zusprechen und Sie werden damit ein gerechtes Urteil fällen. Ein solcher Fall unterliegt so selten Ihrer Prüfung, daß wir nicht unterlassen können, dem Antragsteller auszusprechen, wie freudig wir ein solches Verhalten begrüßen, das schon durch allerhöchste Gunst ermutigt worden ist.« Dann stellte er seine formellen Anträge im üblichen Gerichtsstil.
    Der Gerichtshof faßte seinen Beschluß, ohne sich zur Beratung zurückzuziehen, und der Präsident erhob sich, um das Urteil zu verkünden. »Der Gerichtshof«, sagte er zum Schlusse, »hat mich beauftragt, Birotteau seine Genugtuung darüber auszusprechen, daß er ein solches Urteil fällen konnte. Gerichtsdiener, die nächste Sache.«
    Birotteau, den die Redewendungen des berühmten Generalstaatsanwalts wie mit einem Ehrenkleide umhüllt hatten, war vor Freude wie zerbrochen, als er den feierlichen Urteilsspruch aus dem Munde des ersten Präsidenten des höchsten französischen

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