Cäsar Cascabel
Völkerschaften Nordsibiriens bedienen, eine unerläßliche Bedingung für den Erfolg seines Planes zu bilden. Und zwar in dem Grade, daß, während Kayette sich unter der Leitung ihres Freundes Jean in das Studium der französischen Sprache vertiefte, Herr Cascabel sich unter der Leitung seines Freundes Sergius in der russischen zu vervollkommnen beschloß. Und hätte er einen hingebenderen Lehrmeister finden können?
Dementsprechend teilte Herr Cascabel, als er am sechzehnten Februar mit Herrn Sergius in der Nähe der Belle-Roulotte spazieren ging, diesem seinen Wunsch mit, das Russische gründlicher zu erlernen.
»Sehen Sie,« sagte er, »da wir nach Rußland gehen, wird mir das Russische sehr nützlich sein und mir während unseres Aufenthaltes in Perm und Nischnij manche Verlegenheit ersparen.«
»Einverstanden, mein lieber Cascabel,« antwortete Herr Sergius. »Indessen könnten Sie sich mit dem, was Sie bereits von unserer Sprache wissen, beinahe behelfen.«
»Nein, Herr Sergius, nein! Wenn ich auch so ziemlich verstehe, was man mir sagt, so kann ich mich doch nicht meinerseits verständlich machen, und dahin möchte ich’s eben bringen.«
»Wie es Ihnen gefällig ist.«
»Und überdies, Herr Sergius, wird es uns immerhin die Zeit vertreiben!«
Schließlich hatte Herrn Cascabels Vorschlag nichts Erstaunliches und man zeigte sich auch nicht überrascht davon.
So lernte er denn von Herrn Sergius mit großem Eifer Russisch; er arbeitete täglich zwei bis drei Stunden – wobei er nicht sowohl auf die Grammatik, als auf die Aussprache Gewicht legte; letztere schien für ihn die Hauptsache zu bilden.
Nun sprechen die Russen zwar sehr leicht und ohne fremdartigen Accent französisch; den Franzosen aber fällt das Russische ziemlich schwer. Man wird sich daher kaum einen Begriff von der Mühe machen, welche Herr Cascabel sich gab, von den anstrengenden Sprechübungen, denen er sich unterzog, von den schallenden Tönen, mit welchen er die Belle-Roulotte erfüllte, um es zur Vollkommenheit zu bringen.
Und bei seiner natürlichen Begabung für Sprachen machte er Fortschritte, die sein Personal in Erstaunen setzten.
Nach beendigter Lektion ging er dann ans Meeresufer, wo er vor Zuhörern sicher war, und übte sich dort mit schallender Stimme im Aussprechen verschiedener Sätze in verschiedenen Tonarten, wobei er das »r« nach russischer Sitte rollte. Und der Himmel weiß, daß er sich während der Ausübung seines Gauklerberufes eine starke Betonung jenes Buchstabens angewöhnt hatte!
Manchmal begegnete er Ortik und Kirschef, und da die beiden Matrosen keine Silbe französisch konnten, unterhielt er sich russisch mit ihnen und vergewisserte sich so, daß er recht verständlich zu werden beginne.
Übrigens kamen die beiden Männer jetzt häufiger in die Belle-Roulotte. Kayette, auf welche Kirschefs Stimme noch immer Eindruck machte, strengte ihr Gedächtnis an, um sich der Gelegenheit zu erinnern, bei welcher sie dieselbe gehört haben mochte…
Zwischen Ortik und Herrn Sergius drehte sich das Gespräch, an welchem jetzt auch Herr Cascabel teilnahm, unaufhörlich um ein mögliches Mittel zur Flucht; und doch gelangte man zu keinem Resultate.
»Es giebt eine Chance, an die wir nicht gedacht haben und die sich dennoch bieten könnte,« sagte Ortik eines Tages.
»Welche?…« fragte Herr Sergius.
»Wenn das Polarmeer erst wieder eisfrei geworden ist,« antwortete der Matrose, »so ist es nichts seltenes, daß Walfischfahrer an der Liakhossgruppe vorübersegeln. Wäre es in diesem Falle nicht möglich, Signale zu geben, irgend ein Schiff anzurufen?«
»Das hieße, die Mannschaft des Schiffes ebenfalls der Gefangennehmung durch Tschu-Tschuk aussetzen und würde nichts zu unserer Befreiung beitragen,« antwortete Herr Sergius. »Die Mannschaft würde der Übermacht erliegen und in die Hände der Eingeborenen fallen…«
»Dann wird auch das Meer nicht vor drei Monaten eisfrei sein,« warf Herr Cascabel hin; »und solange werde ich mich nie und nimmer gedulden!…«
Nach kurzer Überlegung fügte er hinzu:
»Und dann, wenn es uns selbst mit Zustimmung jenes wackern alten Tuck-Tuck gelänge, uns auf einem Walfischfahrer einzuschiffen, so würden wir gezwungen sein, die Belle-Roulotte zurückzulassen…«
»Das ist ein Opfer, in welches wir uns vermutlich sowieso fügen müssen,« bemerkte Herr Sergius.
»Uns fügen?« rief Herr Cascabel. »Warum nicht gar!«
»Sollten Sie einen Ausweg gefunden
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