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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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haben schon mit Messern und Gabeln gegessen, als Ihr noch auf den Bäumen saßt!« Das mit den Bäumen stimmt natürlich nicht. Auch im Norden hätte ein Mann mit Stierhörnern auf dem Kopf wie auf uns ein Soldat mit Pickelhaube gewirkt: nicht sehr komisch, aber doch überholt. Man aß immer noch aus Steingutschüsseln und von Holzbrettern und wohnte in Dörfern inmitten riesiger Wälder, und immer noch bestrafte man eine Ehebrecherin mit dem Tode, statt sie interessant zu finden. Aber wer und was Rom war, wußten die führenden Köpfe genau; man hatte es kennengelernt wie eineinhalbtausend Jahre später Martin Luther: verschüchtert hin, verachtend zurück. Es gab viele, die dort jahrelang als Geiseln gelebt hatten; unter ihnen der Jüngling, der fast Roms Schicksal geworden wäre und dessen Auftritt gleich fällig ist, ein Sohn aus vornehmem »fürstlichem« Hause: der junge Cherusker Armin, römischer Leutnant d. R. Er war Mitte Zwanzig, als er heimkehrte und das Werk begann, von dem die Römer nichts ahnten: Die Einigung der Germanen im Haß gegen Rom.
    Haß kann etwas sehr Dummes, er kann auch etwas Lebensnotwendiges sein. Nur muß man wissen, was man unter »Leben« und »lebenswert« versteht. Die Germanen glaubten es zu wissen.
    Eine einzige Fehlentscheidung des Senats, die falsche Besetzung des Statthalterpostens am Rhein mit einem Höfling namens Quintilius Varus, beschleunigte den count down. Varus und seine Offiziere schlugen gegen die Germanen einen ganz neuen Ton an; sie benahmen sich, wie die Franzosen 1923 an der Ruhr; ihre Reitpeitschen ersparten Arminius viel Arbeit.
    In einer Sturm- und Regennacht im September des Jahres 9 n. Chr. überfiel Arminius den mit drei Legionen durch den Teutoburger Wald ziehenden Römer und vernichtete nach dreitägiger Schlacht das ganze zwanzigtausend Mann starke Heer. Varus beging Selbstmord. In Eilmärschen kam Tiberius herauf und rettete wenigstens die Rheingrenze. Es war die größte Niederlage der Römer seit hundert Jahren. »Arminius hat es gewagt, das römische Volk nicht in den Anfängen der Macht, sondern in seiner höchsten Stärke und Blüte des Reiches herauszufordern« (Tacitus).
    Das große germanische Reich kam nie zustande. Arminius wurde vom ewigen deutschen Judas verraten und ermordet.
    Dennoch wurde die Schlacht im Teutoburger Wald ein weltgeschichtliches Ereignis: Mitteleuropa entging der Romanisierung. Zum Glück? Zum Unglück? Augu-stus ließ den Eisernen Vorhang fallen und die Preußen blieben auf den Bäumen sitzen. So wurden sie spät »in« und blieben lange jung.
    Der Princeps war alt und müde. Er winkte Tiberius zurück. Er wollte den Rest seines Lebens in Frieden verbringen.

    *

    Dieser »Rest« waren noch fünf Jahre; eine lange Zeit — eine kurze Zeit. Je älter man wird, desto schneller verfliegen die Jahre. Es ist eine große Gnade, nicht zu erschrecken, wenn man das Abendrot sieht. Augustus scheint trotz des immer schwächer werdenden Körpers und der ewig quälenden Krankheiten geduldig und ruhig gewesen zu sein bis zum Tode.
    Das Ende überraschte ihn — oder auch nicht — auf einer Erholungsreise, die ihm die Ärzte nach dem heilsamen Süden empfohlen hatten. Am 19. des nach ihm benannten Monats, im Jahre 14 n. Chr., starb er sechsundsiebzigjährig in Nola bei Neapel — in dem gleichen Hause und dem gleichen Gemach, in dem sein Vater gestorben war.
    Ein großes Geleit brachte den Toten nach Rom. Das Volk zog ihm entgegen und gebärdete sich, als nahe der Weltuntergang. Am Stadttor nahmen Senatoren die Bahre auf die Schulter und trugen sie zum Marsfeld, wo der Leichnam des Erhabenen, nach feierlichen Ehrenbezeugungen vor dem Tempel Caesars und vor der Curia, im Angesicht des Volkes verbrannt wurde. Die Asche, eingesammelt von barfüßigen Rittern, setzte man in seinem Mausoleum, im Norden Roms am Ufer des Tiber bei.
    ■

IM VIERZEHNTEN KAPITEL

tritt Tiberius das Erbe des Augustus an, sehr gegen seinen eigenen Willen. Ein vorzüglicher Herrscher; aber sein Unglück sind seine demokratische Überzeugung, die keiner mehr wünscht und ihm keiner mehr dankt, sein düsterer Pessimismus, der allen drauflos Lebenden den Spaß verdirbt, und seine Pressefeindlichkeit, für die sich Sueton und Tacitus wie üblich durch Rufmord rächen. Sonst ereignet sich nicht viel im Vergleich zu dem, was gleich kommt.

    Die Macht der Gewohnheit, die ungeheure Macht des »Nichts anderes kennen« ließ das Volk zum Palatin hinaufblicken mit dem

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