Cäsar läßt grüssen
da und höre zu, rede wenig und erfahre interessante Dinge oder auch nicht. Dann verabschiede ich mich. Ich wünsche, daß sich niemand dadurch stören läßt, ja, ich wünsche nicht einmal, daß sie sich erheben. Geht’s freundlicher, Maecenas? Ich verdufte also und beginne zu arbeiten. Gestern habe ich die Richtlinien für eine Rechtsreform aufgestellt — stelle dir vor, man hat bisher keinen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum gemacht! — und ich habe über die Schätzung nachgedacht, statt zu schlafen. Heute nacht und morgen muß ich die Berichte aus den Provinzen durcharbeiten, ich habe das ganze System der Steuerpachtungen abgeschafft, alle Beamten werden fest besoldet. Übermorgen beginnt der Staatsakt der .. .«
»Hast du das alles nicht gewollt, Augustus? Ist das nicht dein Ziel gewesen?«
»Ach, Maecenas! Mein Ziel war, Julius Caesars Gedanken zu verwirklichen. Er hat gespürt, daß wir als Volk alt geworden sind und daß wir die Demokratie zu einem Marterinstrument gemacht haben. Das Principal sollte eine neue weltgeschichtliche Epoche einleiten und Rom von dem Fluch und der Zwangsvorstellung der Bürgerkämpfe befreien. Ich habe Caesars Testament erfüllt — ist Rom glücklich?«
»Ich glaube. Ja, ich weiß.«
»Bin ich glücklich? Du schweigst. Ich habe dauernd Hunger, komisch. Hast du ein paar Feigen?«
»Sofort. Als wir noch jung waren, früher, als du noch Octavian...«
»Sprich nicht weiter, Maecenas! Es gibt kein Früher und ich war nie jung, es muß ein anderer gewesen sein. Vale, Maecenas, ich lege mich jetzt schlafen.
Und hinter uns, im wesenlosen Scheine, liegt, was uns alle bändigt, das Gemeine.«
»Ovid?«
»Goethe.«
*
Je älter Augustus wurde — seine Haare begannen zu ergrauen und die Augen nachzulassen — desto drückender lastete auf ihm die Frage, an der die ganze Zukunft Roms hängen konnte: die Frage der Nachfolge. Die Einrichtung des Principats war in den langen Jahren zu einer Selbstverständlichkeit geworden, sonst hätte — etwa bei einem frühen Tode von Augu-stus — niemand daran denken dürfen, seinen Platz einzunehmen. Augustus hat biologisch diese Hürde überwunden. Das Volk war mit der Vorstellung vertraut, daß er einen Nachfolger haben würde. Aber wo war er?
Fünfmal hat Augustus eine Lösung versucht, fünfmal machte ihm der Tod einen Strich durch die Rechnung. Sein erster Kronprinz war der Sohn seiner Schwester Octavia, Claudius Marcellus, den er sehr gern hatte, schon um der geliebten Schwester willen. Um einen doppelten Knoten zu machen, verheiratete er Marcellus, so rasch es ging, mit Julia, seiner eigenen einzigen Tochter (aus der Ehe mit Scribonia). Sie war vierzehn, er war siebzehn! Hier zeigte sich Augustus, verführt durch den Wahn vom »eigenen Blut«, zum erstenmal unrealistisch. Zwei Jahre später war Marcellus tot.
An seine Stelle rückte Agrippa. Die Römer verehrten Agrippa, dem man schon einmal, als Augustus sich sehr krank fühlte, die tribunizische Macht und damit die Mitregentschaft übertragen hatte. Aber Freund Agrippa war vierzig Jahre alt; an eine Adoption war nicht zu denken. Infolgedessen erfand Augustus eine andere Lösung. Er zwang den sehr glücklich verheirateten Agrippa, sich scheiden zu lassen und halste ihm die sechzehnjährige Julia auf, die sich inzwischen zu einem fatalen Strindbergschen Fräulein Julie zu entwickeln begann. Wahrscheinlich fluchend und wutentbrannt warf Freund Agrippa das Balg ins Bett und tat seine Pflicht. Julia gebar als Neunzehnjährige und als Einundzwanzigjährige zwei Söhne: Gaius und Lucius.
Im Jahre 12 starb unerwartet Agrippa, der gesunde, robuste Agrippa, der den kränklichen, schwachen Augustus hatte überleben sollen.
Jetzt wurden Gaius und Lucius ins Auge gefaßt. Die beiden Kleinen wuchsen total ungesund und verzärtelt auf, was die Natur prompt quittierte: beide starben im Knabenalter.
Gestorben war auch ein anderer, den Augustus in Reserve gehalten hatte: Drusus.
Mit dem Namen können Sie nichts anfangen, nicht wahr? Ich möchte aber gern, daß Sie etwas damit anfangen. Darf ich fünf Minuten abschweifen?
Augustus war dreimal verheiratet. Das Töchterchen von Volksfreund Clodius und der zerplatzten Fulvia hatte er, wie Sie wissen, unberührt retourniert. Er heiratete Scribonia, die — vielleicht — etwas zwielichtig war. Aus dieser Ehe stammte Julia, gebildet, charmant, hübsch, Nymphomanin. Von Scribonia ließ Augustus sich scheiden, als er Livia kennenlernte. Livia
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