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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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stand: »Jesus von Nazareth, König der Juden.«
    »Es tut mir leid«, sagte der Römer Pontius Pilatus, Prokurator von Judäa, »ich wasche meine Hände in Unschuld. Es ist ein reiner Justizmord der jüdischen Priester. Aber wenn sie es auf das politische Gleis abschieben, bin ich verpflichtet, einzugreifen. Man hätte diesen Jesus geringer bestrafen können, aber die Juden wollten ihn ja gekreuzigt sehen. Ich bin auf meinen Posten noch von Seianus befördert worden. Seianus ist gestürzt, und ich kann mir daher in diesem Augenblick keine Beschwerde der Juden in Rom erlauben. Dieser Mann tut mir leid; er hat bestimmt nichts anderes getan, als was heutzutage mindestens zwei Dutzend Schwärmer tun, nämlich Jupiter verleugnen (im Vertrauen, ich bin auch nicht im alten Sinne gläubig), und sich unter allerlei Wunderkrimskrams als Messias auszugeben. Na ja, er hat es überstanden, und wir wollen es zu dem übrigen legen.«
    Ja, wirklich, dieser Mann aus Nazareth war der friedfertigste und bescheidenste unter den vielen Gesalbten (»Christus«) und monotheistischen Propheten, die damals den Orient durchzogen. Weit bedeutender als dieser Nazarener schien zum Beispiel Apollonios aus Kappadozien, der als ein neuer Stern erster Größe leuchtete, während Jesus schon fast vergessen war. Und als es Scha’ul = Paulus gelang, die Lehre des Nazareners zu retten, da war Apollonios immer noch gleich stark,* so daß Kaiser Alexander Severus (kurz nach 200) in seiner Gebetsnische neben Jesus das Bild des Apollonios stehen hatte und vorsichtshalber zu beiden betete.
    Noch sind es bis dahin hundertfünfzig Jahre, und zur Zeit des Tiberius interessierte es in Rom noch niemanden, ob und wer von den vielen Propheten, Wanderpredigern, Erweckern und »Messias« eine Chance haben würde.
    Es war Paulus aus Tarsos, der erfaßte, wo die Chance lag und wer die Träger der Jesuslehre sein mußten: die Unterdrückten und Versklavten, jene, für die Jupiter, der Gott der Sieger, nicht da war. Paulus durchwanderte zu Fuß Zehntausende von Kilometern der römischen Welt und erreichte die fernsten und ärmsten Dörfer, Weiler, Gruben, Bergwerke, Strafkolonien, wohin kein Priester je gekommen war. Paulus war ein neuer Spartakus, der mit der sanften Kunst des Jiu-Jitsu statt mit dem Schwert wiederkam. Das Bild ist um nichts übertrieben, sogar das Kreuz, an das einst die besiegten Sklaven genagelt worden, wiederholte sich. Die Umwandlung des Kreuzes vom Symbol der Marter in das Symbol der Jenseitsgewißheit zündete bei den Unterdrückten und Sklaven sofort: das Leben war wieder erduldenswert. Ohne daß Rom es merkte, hatten sich Tausende und Abertausende von Jupiter, dem Gott der Sieger, abgekehrt und der Jenseitsverheißung des neuen Gottes zugewandt.
    Aber auch in Rom selbst war etwas im Umbruch. Es war die Zeit der großen seelischen Unruhe. Ein halbes Jahrtausend lang hatten die Römer gemeint, mit ihren Göttern als Bankdirektoren und Justizministern auskommen zu können, jetzt begann man, die Trockenheit unerträglich zu finden. Es ist sicher richtig, was Frank Thiess sagt: daß einem Umschwung von diesem Ausmaß immer eine Erhitzung vorausgehen muß, ehe er zustande kommen kann, eine gedankliche Erhitzung. Ja, eine gedankliche Erhitzung war da, und sie lag auf einem überraschenden Gebiet: einer bis ins Fiebrige gesteigerten Sinnlichkeit. Rom entdeckte, daß es etwas versäumt hatte.
    Das Orgiastische wohnt immer sehr nahe bei dem Orgastischen. Die oberen — wenn nicht Zehntausend, dann zumindest Tausend — die oberen Tausend gingen zwar an Festtagen noch in den Tempel, aber privat probierten sie den Sinnenreiz neuer Mystik aus, indem sie in geschlossenem Freundeskreis den aus Ägypten importierten Isiskult nachäfften oder den phrygischen Attiskult, der so kribbelnd-mystisch das Sinnliche ins Übersinnliche erhob.

    *

    Aus dieser dekadenten Atmosphäre kam des Tiberius’ Nachfolger, der an der Bahre des Verstorbenen mit Krokodilstränen im Auge schon bereitstand: der fünfundzwanzigjährige Jüngling Gaius Claudius Nero, genannt Caligula, das »Stiefelchen«. Er wurde der erste wirkliche Kaiser Roms.

DAS FÜNFZEHNTE KAPITEL

ist lang; es erledigt Caligula, Claudius,
Nero, Galba, Otho, Vitellius (nie gehört, nicht wahr?), Vespasian, Titus und Domitian, und auch wir sind schließlich ziemlich erledigt. Strapaziöse Zeiten, gefährliche Zeiten, sagen wir heute; aber kein Römer hätte mit uns getauscht (mit Ausnahme Neros).

    Leider.
    Was

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