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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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war er als Kind nicht für ein nettes Kerlchen gewesen! Als jüngster Sohn des Germanicus und Enkel des Drusus war er, wenn schon nicht durch Drusus selbst, dann auf jeden Fall durch seine Mutter Vipsa-nia Agrippina ein echter Großenkel des Augustus. Er begriff lange Zeit nicht, was das bedeutete, bis die ehrgeizige Vipsania Agrippina ihn darüber aufklärte. Seine Kindheit verbrachte er in den Garnisonen am Rhein. Er lebte unter Militärs, kleidete sich wie ein Spielzeugsoldat und trug winzige maßgearbeitete »caligae«, nägelbeschlagene Kommiß-Stiefelchen. Er war die Freude und das Maskottchen der ganzen Truppe.
    Als er älter wurde und zur Erziehung nach Rom kam, entpuppte er sich als nicht mehr ganz so nett. Er erlag weniger den Versuchungen, die Welt theoretisch als vielmehr praktisch zu studieren, wobei er mit dem weiblichen Teil anfing. Jedoch beließ er es nicht dabei, sondern befaßte sich auch mit dem männlichen. Er war ein playboy jener liebenswürdigen Art, wie sie heutzutage aus dem Bereich der Fabrikantenparvenues kommen, ausgestattet mit demselben Geld, demselben Gehirnvakuum und derselben bedauerlichen Gesundheit. Er war haltlos; aber Bösartigkeit oder gar Grausamkeit bemerkte man an ihm noch nicht. Das Volk sprach von ihm als »unser Kleiner«, »unser Schoßkind« und »unser Augensternchen«. Tiberius, der ihn von Zeit zu Zeit zu sich beorderte, war offenbar der einzige, der ihn hellsichtig erkannte. Mit Schrecken dachte er daran, daß dieser Jüngling jemals zur Herrschaft kommen könnte (er hat ihn nicht eingesetzt); er nannte ihn Phaeton * — ein nicht einmal sehr böses, aber grausig prophetisches Wort.
    Mit der Präzision eines falsch gefütterten Computers spuckte das Volk auf die Frage, wer Tiberius’ Nachfolger werden sollte, den Namen Caligula aus. Er war ja der Enkel des geliebten Drusus. Daß es noch einen Sohn des geliebten Drusus gab, hatte man vergessen. Als der Senat zögerte, stürmte die Plebs — ich verbessere mich: der Plebs (laut Duden) die Curia und erzwang Caligulas Ernennung. Man feierte sie mit hundertsechzigtausend Opfertieren.
    Der Anfang des Phaeton war nicht schlecht. Er hob einige drückende Bestimmungen des Tiberius auf, ließ ein paar Verhaftete frei und gab der Volksversammlung das Recht der Beamtenernennung zurück. Das alles waren keine dollen Sachen, aber dolle Sachen erwartete auch niemand von ihm.
    Plötzlich jedoch schlug das indifferente laue Wetter zu einem entsetzlichen Hurrikan um. Es heißt, daß das nach einer schweren Erkrankung Caligulas geschah, vielleicht einer Gehirnerkrankung, aber sie ist nicht belegt. Sueton beginnt diesen Teil seine Caligula-Biographie mit dem Satz: »So viel von ihm als Fürsten; nun muß ich von ihm, dem Ungeheuer berichten.«
    Er wurde für die Nachwelt der Inbegriff des »Cäsarenwahnsinns« (Gustav Freytag). Das erste, was »das Ungeheuer« tat, war die Erhöhung des Principats zu einem orientalischen Kaisertum. Nicht zufällig floß das Blut des Antonius in seinen Adern. Er verlangte den Fußfall und die Verehrung als leibhaftiger Gott. Stundenlang stellte er sich zwischen die Statuen des Castor und Pollux und ließ sich von den andächtig Nahenden anbeten. Er baute sich einen Tempel mit seinem lebensgroßen Standbild, das von den Priestern täglich mit den gleichen Gewändern bekleidet wurde, die er selbst an diesem Tage trug. Wenn er den kapitolinischen Tempel besuchte, so führte er laute Gespräche mit Jupiter wie mit einem Onkel, scherzte, lachte, zankte auch mit ihm und hielt die Hand ans Ohr, um besser hören zu können. Sein Verhältnis zur Umwelt war das eines Irrsinnigen. Während seines ersten und zweiten Regierungsjahres gab es viele Fälle, wo hysterisch begeisterte Bürger bei einer Krankheit Caligulas sich zu opfern gelobten, falls ihr Augensternchen wieder genesen würde. Sobald Caligula davon hörte, ließ er die Leute ergreifen und in den Selbstmord treiben. Gelang das nicht, so wurden sie in der Arena abgeschlachtet. Jedoch, es war nicht das fließende Blut, das ihn wie eine bestimmte Verbrechertype reizte, er mordete auch sehr gern, ohne etwas davon zu sehen zu bekommen. Die Befehle flössen ihm schwerelos aus dem Munde. Seinen Adoptivbruder ließ er von einem Prätorianer erstechen, weil ihn die Ängstlichkeit ärgerte, mit der der arme Junge bei Einladungen von den Speisen kostete. Seinem Schwiegervater ließ er die Kehle durchschneiden, weil der alte Mann ihn bei einem Sturm nicht zu Schiff

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