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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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begleiten wollte. In Wahrheit sind natürlich alle »weil« falsch. Sein Trieb stand in keinem Zusammenhang mit den Scheinanlässen. Wenn er, was wahrscheinlich ist, seine Großmutter Antonia (die Briefschreiberin) vergiftet hat, so fehlt jedes Motiv.
    Um das ägyptische Gottkönigtum nicht zu versäumen, vermählte er sich wie die Pharaonen mit seiner Schwester Drusilla, mit der er zügellose Orgien feierte. Er erhob sie ebenfalls zur lebenden Göttin. Als sie starb (er nahm sich die nächste Schwester vor), ordnete er einen Reichstrauertag an, an dem ein Lachen mit dem Tode bestraft werden sollte.
    Es wurde bald nicht mehr gelacht. Denn auch, wer nicht mit dem Kaiser in Berührung kam, war seines Lebens nicht mehr sicher. Er hat Tausende ermordet und Zehntausende ins Unglück gestürzt. Er ließ mißliebige Dichter verbrennen und Angeklagten, die ihre Unschuld zu beteuern wagten, die Zunge herausschneiden. Hörte er von der Schönheit eines Mannes, so ließ er ihn verunstalten. Nur mit Mühe und aus Furcht vor dem Militär war er davon abzubringen, die Legionen, die damals beim Tode des Augustus »gestreikt« hatten, ohne Ausnahme hinrichten zu lassen (kein Mensch aus jener Zeit befand sich noch unter ihnen). Bei der Einweihung einer Brücke ließ er die Gäste, die auf der Brücke standen, ins Wasser stürzen.
    Eines Tages kam Caligula auf den Gedanken, die Reichen Roms, einen nach dem anderen, der Majestätsbeleidigung anzuklagen, hinzurichten und ihren Besitz einzuziehen. Ein Strom von Geld und Gold floß herein — es machte ihm große Freude. Er führte einen Turnus von zehn Tagen ein, an denen er die Listen der zum Tode Verurteilten unterschrieb.
    Das Maß war voll. Sehr spät. Es ist ein wunderlicher Zug der menschlichen Psyche, wie schnell ein Dolch bei der Hand ist gegen einen, der guten Glaubens fehlgeht, und wie langmütig die Masse gegen einen Bösewicht bleibt, wenn er spektakulär und unbegreiflich ist. Verschwörungen mußten mißlingen, solange die Prätorianergarde nicht mitmachte. Diesen Henkersknechten stopfte er das Maul mit Gold. Sie bekamen dreifachen Sold. Ein Gewissen hatten sie nicht. Auch der Kommandeur war nicht damit belastet, solange er sich persönlich sicher fühlen konnte — was bei einem Caligula abzusehen war. Tatsächlich mehrten sich die Anzeichen der Gefahr. Jetzt war Komplizen zu suchen nicht mehr so selbstmörderisch, denn auch der stellvertretende Kommandeur und mehrere Hofbeamte zitterten bereits.
    Mit dem 24. Januar 41 nahte endlich der Tag der Erlösung. In dem unterirdischen Gang, durch den der Kaiser um die Mittagszeit vom Circus zu seinem Palast zurückkehrte, zog der hinter ihm gehende Kommandeur der Leibwache das Schwert und schlug das Ungeheuer nieder. Der Kaiser war nicht sofort tot und schrie wie am Spieß, bis die anderen Verschwörer ihn erstachen.
    Seinen Leib, massig auf dünnen Beinchen, glatzköpfig mit neunundzwanzig Jahren, aber am Körper behaart wie eine Ziege (das Wort Ziege durfte zu seinen Lebzeiten nicht ausgesprochen werden), schleppte man in der dunklen Nacht weg und verscharrte ihn in einem Garten des Esquilin.
    Als die Kunde von seiner Ermordung am nächsten Morgen durch die Straßen flog, löste sie neue Angst aus. Totenstille zuerst, dann vereinzelt Klagen: man hielt die Nachricht für eine Falle Caligulas und wollte sich sichern. Erst als die Verschwörer den Konsuln Meldung machten und ihnen den Palast öffneten, brach die Masse in ungeheuren Jubel aus — genau so groß wie vor vier Jahren; na ja, vielleicht nicht ganz so groß, denn wo blieben diesmal die hundertsechzigtausend Schlachttiere?
    Patrizier und Equites dachten weniger an die geopferten Tiere, als an die geopferten Menschen, die fast alle aus ihren Reihen stammten. In einer feierlichen »damnatio memoriae« tilgte der Senat den Namen und das Bild Caligulas von allen Münzen und Schriftstücken, aus allen Räumen und Tempeln. Die Lehre, die Caligula den Menschen erteilt hatte, schien dem Senat so furchtbar, daß er entschlossen war, Rom wieder zur Republik zu machen. Ein schwerer Schritt ins »Ungewisse«. Dennoch war man sich fast einig. Während schöne und erhebende Reden erschallten, erscholl draußen, aus der Richtung der Prätorianer-Kaserne, auch etwas, nämlich ein Trompetenstoß, der alles weitere Gerede überflüssig machte: Die Garde rief eigenmächtig einen neuen Kaiser aus!

    *

    Der neue Kaiser (der Senat duckte sich sofort) hieß Claudius, genau: Tiberius Claudius

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