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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Germanicus Caesar Augustus. Er war der Sohn des Drusus, Onkel des Caligula. Die Linie sprang also eine Generation zurück. Die Umstände, unter denen der fünfzigjährige Claudius auf den Thron kam, sind die verrücktesten, die sich denken lassen; aber rührend. Die ganze Gestalt ist rührend. Es ist das schwer wieder gutzumachende Unrecht früherer Geschichtsschreibung, ihn mit Mord und Totschlag, mit blutigen Circuskämpfen, Dolch und Gift umrankt und in einen Topf mit Caligula geworfen zu haben. Da an ihm der Name der schrecklichen Messalina haftet, dieser verrückten Sexualtigerin, hat sich zu allem Überfluß auch noch die Filmbranche des »Stoffes« angenommen, von der Stummfilm-Moritat bis zu Cecil B. de Mille. Auch ich kann mich, soweit ich zurückdenke, nur daran erinnern, einen abscheulichen Claudius flimmern gesehen zu haben.
    Er war es nicht. Er war ein armer Teufel. In der Jugend hatte er Kinderlähmung überstehen müssen, er hinkte seitdem, hatte Sprachhemmungen und wackelte mit dem Kopf. Als ewig Zurückgesetzter, als Belächelter, als Schwächling wurde er immer verschlossener und immer scheuer. Daß diese Scheu nicht in Haß gegen die ungeschlachte, gedankenlose Umwelt umgeschlagen ist, scheint mir ein Zeichen von sauberem Charakter. Claudius wurde ein Bücherwurm, belesen, gebildet und philosophisch milde. Er suchte, allein oder im Kreise ganz weniger Vertrauter, auch ein bißchen Trost im Wein, im Würfelspiel und kleinen Zerstreuungen, lauter Dinge, über die zu zetern sich vollkommen erübrigt. »Der vollendete Trottel ist er übrigens nicht gewesen«, schreibt Herr Professor Hohl noch 1931. Nein, Euer Magnifizenz, offensichtlich nicht. Sein Umgang waren Professoren, Herr Professor! Er sprach perfekt griechisch, war ein guter Mathematiker und lernbegieriger Mediziner. »Aber eine teilweise erhaltene Senatsrede wirkt in ihrem Prunken mit Geschichtskenntnissen schon peinlich!« Wie? Der fast vollendete Trottel hatte Geschichtskenntnisse? Und er »prunkte« damit? Der arme Kerl! Seine einzige Freude, sein einziger Stolz floß ihm da einmal in die so beschwerliche, stotternde Rede ein; wie glücklich mag er sich gefühlt haben, daß niemand lachte; daß sie staunten; und daß sie sich alle erhoben, als er hinkend und kopfwackelnd hinausschlurfte — »unser Abortus«, wie ihn seine Mutter Antonia (die Briefschreiberin) seit Kindheit zu titulieren pflegte. Nun — Mutter Antonia war tot. Ihr Augensternchen, Caligula, hatte dafür gesorgt. Das Augensternchen würde auch dafür gesorgt haben, daß Onkel Claudius nicht mehr lebte, wenn er ihn sich nicht als Hofnarren gehalten hätte. Die fürchterlich rohen und gefährlichen Späße, die Claudius im Hause des jungen Ungeheuers ausgehalten hat, müssen die Hölle gewesen sein. Aber er ertrug sie. Je mehr er mit dem Kopf wackelte, desto fester saß er ihm auf den schwachen Schultern. Er wollte nicht sterben, er liebte das Leben, so kümmerlich er auch weggekommen war.
    Als die Palastgarde an jenem Januartage Caligula (und noch weitere Familienmitglieder) tötete, verkroch Claudius sich in einem Versteck des Hauses. Ihm schlug das Herz bis zum Halse, als er die Prätorianer mit blutigem Schwert an seinem dunklen Winkel vorbeistürmen sah, wieder zurückkehren, wieder verschwinden und schließlich — das Entsetzlichste — dauernd seinen Namen rufen hörte.
    Dann entdeckten sie ihn. Eine Faust zerrte ihn heraus und stieß ihn vor sich her, Offiziere kamen hinzu, alles schrie durcheinander, und inmitten eines Prätorianerhaufens führte man den Fünfzigjährigen in die Kaserne ab.
    Er wartete auf sein Todesurteil. Oh, er war innerlich gefaßt, aber was nützt das, wenn der geschundene Körper zittert?
    Da geschah das Unglaubliche: Die Offiziere hoben ihn auf die Schultern und riefen ihn zum Kaiser aus! Claudius, vollkommen ungewiß, ob das Ernst oder Hohn sein sollte, wollte es nicht glauben — alles geschah von nun an wie ein Traum. Die Soldaten legten den Treueid ab und präsentierten den neuen Kaiser dem Volk und dem Senat.
    Die meisten sahen ihn zum erstenmal. Seine Mutter Antonia hatte ihn versteckt, Tiberius hatte ihn von allen öffentlichen Pflichten entbunden und Caligula ihn wie einen Affen im Käfig gehalten. Claudius kannte auch niemand unter den Senatoren. Das da vor ihm waren sie also, und jene zwei dort die Konsuln, und offenbar stimmte alles, und er war wirklich Kaiser.
    Mit dem Toresschlußmut von Aschenbröteln stürzte er sich in die

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