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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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von einer langen Kette von Kiosken begleitet. Dieselben Bretterbuden säumten den Südrand des Forums ein. Sie waren Staatsbesitz. Früher hatten die Fleischer hier gesessen, die Gemüsehändler, die Bäcker, die Fischer, aber man hatte sie schon lange hinausgeschmissen, um das Zentrum der Stadt würdiger und sauberer zu gestalten. Jetzt waren die Buden an die Geldwechsler vermietet. Bank ist immer fein. Auch zwanzig Prozent Zinsen stinken nicht so wie ein Kabeljau.
    Ja, es war schon recht vornehm hier. Man spazierte langsamen Schrittes die Via hinunter, man eilte nicht. Sogar die Beamten, die von einer zur anderen Behörde pendelten, oder die Kaufleute hasteten nicht, sondern »begaben« sich. Natürlich gab es schon Stoßzeiten, aber nicht mit den Ellbogen. Die heutigen Filmleute pflegen sich bei der Darstellung des alten Roms zu bemühen, sich so lässig und modern zu bewegen wie möglich. Sie fürchten, sonst komisch zu wirken. Tatsächlich aber werden wohl die früheren Stummfilm-Mimen mit ihrer erheiternden Gravität der Wirklichkeit viel näher gekommen sein. Es stimmt zwar die Erkenntnis, daß ein »Mensch im Alltag« zu allen Zeiten ein »Mensch im Alltag« ist und sich ungezwungen benimmt, nur gehen die Ansichten über den Begriff »ungezwungen« auseinander. Wer die Toga vor dem Körper zusammenfalten muß, kann die Hände nicht in die Hosentaschen stecken. Er bekommt einen anderen Gang. Latschende, kauende, sich juckende, pfeifende, spuckende Jünglinge mit Armen, die infolge ihrer rachitischen Senkbrust bis zu den Knien durchhängen, wären in Rom damals eine Sensation gewesen.
    Sehen wir also die abendlich prominierenden Römer ruhig etwas gespreizt. Für sie war es das nicht.
    Dabei wirkte die ganze Kulisse noch keineswegs so feierlich wie in der Spätzeit, wo wir uns das Forum über und über mit Tempelchen, Denkmälern, Säulen, Balustraden, Reliefs und Statuen besetzt und von gewaltigen Bauten eingefaßt vorstellen müssen. Im Moment waren das Forum-Feld und die Wechselbuden gewiß kein sonderlicher Anblick. Dann, rechter Hand, kurz vor dem Aufstieg zum Kapitol, lag das Haus der Curia (Senat), davor der Platz der plebejischen Wahlversammlungen, das »Comitium« (vierzig mal vierzig Meter, gepflastert) mit dem steinernen Rednerpodest. Zwei weitere Tempel schlossen das Forum zu Füßen des Kapitols ab: der Tempel für Castor und Pollux und das Heiligtum des Saturn, in dem der Staatsschatz ruhte.
    Ein paar breite Straßen durchschnitten Rom, alles andere waren enge, namenlose Gäßchen zwischen lauter kleinen, würfelförmigen Häusern, die sich bis an den Rücken der Forumsbuden und bis an die Hügel herandrängten. Vielleicht gab es auch schon Viertel, in denen zwei- und dreistöckige Häuser standen. Große, volkstümliche Märkte lagen im Südwesten und Norden. Rom ist, auch als es schon die Hunderttausend überschritten hatte, eine Landstadt geblieben. Es gab die Plebs, aber noch nicht den Plebs. Es war gesund. Vielleicht war es sogar schön.
    Als wenig später das neue Gesetz über die Verteilung des Staatslandes an die Plebejer herauskam, zogen viele dritte und vierte Söhne mit ihren Familien aufs Land, und Rom erfuhr unbeabsichtigt aber heilsam einen Aderlaß, der nicht nur das Wuchern der Stadt wieder für einige Generationen stoppte, sondern den Begriff »Rom« auch auf das Land ringsum erweiterte. Man siedelte jetzt schon recht weit weg und war doch Römer.
    Dieses Gesetz, das den Patriziern bei der Verteilung des eroberten Raumes die Langfinger beschnitt und junge Bauern zu Pionieren machte, wirkte sich sehr segensreich aus.

IM VIERTEN KAPITEL

werden zum erstenmal Plebejer Ministerpräsidenten. Die Furcht, es könnte jetzt das ereignislose Paradies kommen, ist jedoch unbegründet: drei Kriege gegen die Samniten und einer gegen Pyrrhos werden mit altem Schwung geführt, denn wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den nötigen Charakter.

    Die Bibel lehrt, daß zwei Menschen schon zu viel sind, um sich das Paradies zu bewahren. Rom hatte über fünfzigtausend.
    Normalerweise hätte es Adam und Eva völlig gleichgültig sein müssen, ob sie in ihrem Recht, von allen Früchten zu essen, beschränkt waren oder nicht. Sie litten keine Not, sie lebten in Ruhe, und die Gesundheit war zufriedenstellend. Und tatsächlich kamen sie auch nicht von selbst auf die Idee, ihre Lage als demütigend zu empfinden, weil sie nicht »souverän« seien.
    Das Wort hat eine rätselhafte Faszination. In der

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