Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
Fällen hatten die Patrizier einzuspringen. Man kann sich vorstellen, mit welcher Begeisterung. Es gab Familien, ruhmreiche, hochbegabte, die sich ganz aus der Politik zurückzogen.
    Nun war es allerdings keineswegs so, daß die plebejischen Konsuln alle Nullen gewesen wären; es gab hervorragende Männer unter ihnen. Nur — wie Tucholsky sagen würde — »Feuerländer sind keine Widerlegung der französischen Grammatik«.
    Am Anfang des dritten Jahrhunderts war die Lage nun folgende: »Vertreter der Plebejer« wurden Konsuln, hatten Priesterämter an sich gebracht, saßen im Senat, waren Polizeichefs (Ädil), konnten zum Gerichtspräsidenten (Prätor) berufen werden, hatten Zutritt zu dem außerordentlich hohen Amt der zwei Zensoren, die, niemandem verantwortlich, die Steuern festsetzten, die Finanzen verwalteten, die öffentlichen Bauten befahlen, den Sittenkodex aufstellten, Ausstoßung aus dem Adel und dem Senat aussprechen konnten und das Ersatzheer rekrutierten. Und — spätestens seit 314 — war die Plebs in das letzte Privileg eingebrochen: einen Diktator zu stellen.
    Zweifellos wird Ihnen an dieser Stelle auffallen, daß nun das Amt des Volkstribunen überflüssig geworden ist. Dazu müssen Sie sich merken: die Plebs besitzt nie etwas Überflüssiges. Alles ist dringend notwendig. Nun hätten natürlich mal die Patrizier zur Abwechslung sagen können: »Warum muß der Tribun eigentlich immer . ..«, aber Patrizier sagen das nicht.

    *

    Nach diesen Interna können wir uns wieder der vergleichsweise harmlosen Kriegsgeschichte zuwenden. Rom hatte eine Reihe von Friedensbündnissen mit den Nachbarn auf der Basis der Gleichberechtigung abgeschlossen. Wie immer im Leben gab es Reibereien. Rom besiedelte Land, das ihm nicht gehörte, es schloß Verträge, die mit anderen Bündnissen kollidierten, kurzum, es tat lauter aufreizende Dinge, vornehmlich gegen die Samniten. Erinnern wir uns: Samniten, indogermanische Urbevölkerung, verwandt mit Oskern und Sabellern, im mittleren Apennin von der Adria quer durch Italien bis vor die Tore von Neapel, rauhes Volk mit Füßen wie Hufe. Sie hatten viele Freunde; sie alle mochten Rom nicht. Sogar die Latiner, die engsten Nachbarn, waren wütend, denn Rom handhabte seinen Pakt wie die Russen den Warschauer: das heißt, für die Latiner unerträglich, für die Römer vollkommen richtig. (Sehen Sie, das ist der Vorteil meines bereits hoffnungslosen Rufes: ich darf so etwas sagen. Ich darf sagen, daß ich Dubcek verachte und Breschnjew politisch verstehe.)
    343 war es soweit, die Samniten standen auf. Die Römer glaubten an einen Spaziergang, aber der Spaziergang dauerte drei Jahre (immer nur sommertags und bei schönem Wetter, versteht sich) und endete mit einem Wischiwaschi-Frieden.
    Dann erhoben sich — als echte Kindsköpfe natürlich zu spät — die Latiner. Sie wurden einzeln rangenommen und geschluckt. Eine große Sache war es nicht; der fetteste Happen war die Hafenstadt Antium (heute Porto d’Anzio) mit seiner Flotte. Hübsches Städtchen. Und so praktisch nahe bei Rom.
    Nachdem so die Latiner und Latium vereinnahmt waren, beschlossen Patrizier und Plebejer in schöner Einmütigkeit, sich noch einmal die Sache mit den Samniten vorzunehmen. Es war der plebejische Konsul Publilius Philo, der durch seinen total unmotivierten Marsch auf das unabhängige Neapel die Samniten wieder aufscheuchte.
    327—304, zweiter Samnitenkrieg. Die Römer kletterten zu ihnen in die Berge, schwerbewaffnete, unter der Last keuchende Leute, die sich auf den Gebirgspfaden fast den Hals brachen. In den Kaudinischen Pässen, zweihundertfünfzig Kilometer fern der Heimat, hungrig und müde, stolperten sie prompt in eine Falle. Das ganze Heer geriet in Gefangenschaft und machte sein Testament.
    Indes, die Samniten als echte Abruzzen-Rübezahle fanden, daß ein Riesenskandal schöner sei als fünftausend Tote, mit denen man nur Scherereien haben würde. Sie steckten zwei gekreuzte Lanzen in die Erde und ließen die Besiegten auf Knien und Ellbogen durchrobben. Sie standen dabei und amüsierten sich königlich.
    Das ist das berühmte »Kaudinische Joch«. Es ist fast so berühmt wie der kleine Marmorlöwe vor dem Palazzo Vecchio in Florenz, dem in der Renaissance die besiegten Feldherren den blanken Hintern küssen mußten, um ihr Leben zu retten. Die Florentiner und die Bruzzesen verkaufen heute noch für einen Witz ihre Großmutter.
    Was sagten Sie? Virtus? Ach ja, ein kleiner

Weitere Kostenlose Bücher