Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
über die Bekrönung blickte der Capitolinus mit der Burg und dem strahlenden Jupitertempel, blickten die Wipfel der hohen Pinien und der uralten Eichen des Aventinus und des Caelius.
    Die Kutsche fuhr durch das Tor, doch sie kam nicht weit. Verkehrspolizei hielt sie an und dirigierte sie auf die Parkplätze, denn die Innenstadt war bis zum Eintritt der Dämmerung für alle Fahrzeuge, ausgenommen Baufuhrwerke, gesperrt. Man ließ also Wagen und Kutscher zurück, machte sich zu Fuß auf den Weg oder winkte eines der Sänftentaxis heran, die dort warteten, wie bei uns am Bahnhof.
    An der Stadtmauer, zum Tiber hin, herrschte ein Gewimmel von Menschen in einem Gewirr von Gassen zwischen kleinen Häusern, die sich am Aventin vorbeiquetschten, voll von Läden und Buden. Hier war das Viertel der Fleischer, der Geflügelhändler, der Milchläden und der Gemüsestände. Hier kauften die kleinen Handwerker ein, die Dienerinnen der Wohlhabenden und die Sklaven der Patrizier. Man sah riesige Weidenkörbe voll Kohl, Bohnen, Zichorie, Zwiebeln und Feigen, gewaltige Tonkrüge voll Korn, öl, Käse, viel Trauben, nicht viel Wein, der fast nur bei feierlicher Gelegenheit und niemals von Frauen getrunken wurde. In kühlen Steingewölben hingen in langen Reihen an Haken Gänse, Enten, Hühner und wilde Kaninchen. Auf den Tonbänken lagen Ziegen und Lämmer, in großen Bottichen eingesalzenes Schweinefleisch, nirgends oder sehr selten ein Stück Rind. Die Kühe waren zu kostbar, die Ochsen brauchte man als Traktor oder, wenn sie alt geworden waren, als Opfertiere. Man aß wenig Fleisch, man lebte bescheiden. Alle neun Tage zog das Landvolk zu den nundinae, den Märkten, deren Zyklus, wie heute unsere Wochen, dem Leben die Einschnitte gab. Sonntage existierten nicht, die einzigen Feiertage waren religiöse.
    Es waren nicht viele. Die Staatsfeste galten den »großen« Göttern, Jupiter (Zeus), Juno (Hera), Minerva (Athene), Mars (Ares), Ceres (Demeter, die Fruchtbarkeit der Erde) und Saturn. Dieser Kronos-ähnliche Gott war recht geheimnisumwittert. Das Beste an ihm waren seine Feste, die Saturnalien, die man zur Wintersonnenwende im Dezember wie einen Karneval feierte. Daneben verehrte man in den Häusern zahlreiche andere, nicht gerade erster Klasse, aber Spezialisten und Spezialistinnen für bestimmte Dinge, zum Beispiel für das Gären des Weines oder gegen Fieber oder gegen wilde Tiere. Die gute Göttin Fortuna gab es in vielen Auflagen, die Frauen hielten es mit der Fortuna muliebris, die jungen Burschen mit der Fortuna barbata, die so schöne Bärte wachsen ließ, die Geschäftsleute unterhielten ein Altärchen für die Fortuna respiciens, die Umsichtige. Und alle zusammen bemühten sich, mit den Laren, den Hausgeistern der Verstorbenen, in gutem Kontakt zu bleiben. An solchen Tagen versammelte sich die ganze Familie des Abends um das Herdfeuer, während der Herr des Hauses vor die Tür trat und eine Handvoll Bohnen opferte. Am nächsten Morgen waren die Bohnen weg (in den Bäuchen der gottlosen Mäuse).
    Natürlich darf man diese Dinge nicht mit der Überheblichkeit des Christen sehen. Auch der Katholizismus ruft Maria in zahllosen Gestalten und Eigenschaften an, empfiehlt als Nothelfer den »heiligen« Florian gegen Feuersnot, den »heiligen« Christophorus gegen Reisegefahren, die Barbara gegen Unwetter, den Blasius gegen Halsweh. Wenn ich mich nicht irre, vierzehn Stück. Noch heute bekreuzigen sich die italienischen Fußballer und rufen ihren Hausgeist an, ehe sie das denkbar Banalste beginnen, das sich im Zusammenhang mit Gott denken läßt, nämlich einem Ball einen Tritt zu versetzen.
    Das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern war in der alten Zeit merkwürdig unpersönlich — vielleicht ist das Wort nicht gut, denn sie sahen Jupiter natürlich als Person, sie sprachen auch mit ihm, sie redeten ihn an, sie stellten ihm Bitten und gaben ihm Versprechen. Aber sie sprachen mit ihm auf der Basis des »Sissignorsi«, auf der die Italiener unserer Tage mit Vorgesetzten reden, die eben nicht zu umgehen sind. Sie sprachen mit Mars wie mit ihrem Oberbefehlshaber, mit Merkur wie mit ihrem Bankdirektor und mit Ceres wie mit der Landwirtschaftsministerin. Man kannte die Dienstvorschriften, man stellte seinen Antrag auf Stempelpapier (wie heute noch), und bekam selten Antwort (wie heute noch). Man schimpfte nicht wie die Griechen, man lächelte nicht wie die Griechen. Und auch die Götter verzogen keine Miene.
    Aus dieser Zeit ist

Weitere Kostenlose Bücher