Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
Vom Netzwerk:
Das Land zwischen den Fronten war hilflos und — inzwischen — auch verarmt. Man wollte überdauern. Es fragte sich nur noch, mit wem.
    Hätte Hannibal den Zweiflern ein einziges Zeichen von Skrupellosigkeit und Gemeinheit gegeben, so hätten sie sofort gewußt, an wen sie sich zu halten hatten. Aber Hannibal konnte nicht über seinen Schatten springen; seine Noblesse wurde sein Verhängnis.
    Als General machte er den großen Fehler, sein Heer nicht durch brutale Aushebungen zu verdoppeln und Rom selbst anzugreifen. Er hätte einsehen müssen, daß es nicht anders ging, da seine Regierung in Karthago ihn im Stich ließ und Phantomen nachjagte. Ihr Händlergeist begriff ihn nicht. Die Bankiers wollten Sardinien haben und führten auf eigene Faust dort Krieg, sie wollten Sizilien zurückholen und stocherten auch dort unzulänglich herum, sie wollten die Reichtümer Spaniens sichern und stopften ihr restliches Menschenmaterial hinein. Die wenigen Schiffe waren dauernd unterwegs, nur nicht zu Hannibal. In Karthago sah anscheinend niemand ein, daß Sardinien und Sizilien sowieso mit auf der Rechnung gewesen wären, die Hannibal den Römern präsentiert hätte.
    Das Blatt wandte sich, man sah es deutlich. Was für ein schrecklich beharrlicher Mensch war dieser Cunctator! Auch als ihn andere, der Verfassung gemäß, im Konsulat ablösten, behielten sie seine Linie bei.
    In Spanien kämpfte Hannibals jüngerer Bruder Hasdrubal gegen ein römisches Invasionsheer wenig glücklich. Endlich konnte er einen großen Schlag landen, gewann eine massierte Schlacht, in der die beiden römischen Befehlshaber, zwei Brüder aus der berühmten Familie der Scipionen, fielen. Die gröbste Gefahr schien Hasdrubal beseitigt, und er machte sich auf eigene Faust auf, seinem Bruder zu helfen. Hannibal zog ihm entgegen. Vergeblich, Hasdrubals Durchbruchsversuch mißlang.
    Inzwischen war Capua ungedeckt. Sofort waren die Römer da und schlossen es ein. Hannibal machte, um ihr Heer von der Stadt abzuziehen, eine Scheinbewegung auf Rom zu; die Römer schrien wieder »Hannibal ante portas«, aber die Generäle wußten es besser und ließen sich nicht beirren. Capua wurde genommen. Die Römer hausten wie Mob. Sie metzelten die gesamte Aristokratie nieder und trieben das Volk als Sklaven weg. Hannibal empfing die Nachricht weit weg und ohnmächtig.
    Dann fiel Syrakus (wo die Römer Archimedes ermordeten), dann fiel Tarent, dann fiel dies, dann fiel das, alles bröckelte ab. Die Politik Hannibals war gescheitert. Seine Humanität war eine Albernheit gewesen.
    Er muß es wohl im letzten Augenblick eingesehen haben, denn als er im Sommer 207 hörte, daß sein Bruder sich doch noch durch Gallien durchgekämpft hatte und mit seinem Heer schon auf dem Wege zu ihm sei, da griff er nach diesem Strohhalm und war entschlossen, mit den beiden Armeen Rom nun selbst anzugreifen.
    Hasdrubal zog in Eilmärschen und ungehindert durch Norditalien. Alles schien zu glücken. Mit einem Geheimkurier schickte er dem Bruder den genauen Marschplan und seine Stärke. Der Kurier wurde abgefangen. Die Römer bereiteten in aller Ruhe die Falle vor.
    Am Metaurus, in der Nähe des heutigen Senegallia an der Adria, rannte Hasdrubal in den Untergang. Die Römer schnitten dem Toten den Kopf ab, schleppten ihn zweihundert Kilometer mit sich herum bis zum Lager Hannibals und warfen ihn dort den Vorposten zu, Das ist keine spontane Handlung mehr, das ist Böseres. Der Oberbefehlshaber war der Konsul selbst, Marcus Livius Salinator. Der Name Salinator bedeutet Salzhändler.
    Als Hannibal das geschändete Haupt seines Bruders sah, soll er so etwas Ähnliches gesagt haben wie: Das ist das Schicksal Karthagos.
    Das klingt nicht phönizisch. Das klingt römisch. Und die Römer verwirklichten es auch. Genau so.

    *

    Und nun wollen wir es kurz machen.
    Die Römer stellten sich keiner Schlacht mehr. Sie strichen nur noch wie Wölfe um die karthagischen Lager und schnappten hier und da zu. Sie verbrannten vor und hinter Hannibal die Erde, äscherten die Orte ein und zertrampelten die Ernten.
    Das Heer des Karthagers schmolz zusammen. Die erprobten Veteranen waren tot, die Kerntruppe überaltert, die Pferde dezimiert. Wie lange ging dieser Krieg schon? Zehn Jahre? Fünfzehn?
    Hannibal zog sich in die Silaberge zurück. Hier, am Ende der Welt, hätte er eigentlich nichts hören und nichts sehen müssen, aber die Römer versorgten ihn bereitwillig selbst mit allen Nachrichten. Da war zum Beispiel

Weitere Kostenlose Bücher