Cäsar läßt grüssen
Hunderttausenden; Sklaven auf die Ruderbänke, Sklaven in jedes Haus, in jede Werkstatt. Die, die vorher auf diesen Plätzen gestanden hatten, waren Römer — zu kostbar dafür. Aber Geld brauchten auch sie. Die neue Quelle war das Heer. Es exerzierte längst nicht mehr jahraus, jahrein vor den Toren oder in dem gottverlassenen Fiesole oder Piacenza; es war ein Raubheer, das ständig auf großer Fahrt war. Wie angenehm ist es, wenn einem dabei die Verachtung hilft, und nach dem Punischen Kriege war die Verachtung für jede fremde Kultur die Pflichthaltung aller Schichten — bei den gebildeten Römern aus einer Trotzreaktion, bei der Masse aus Ignoranz und Kotzigkeit. Die griechische Geisteswelt hatte man nie geliebt, jetzt wurde sie gehaßt. Wer Platon las, war nicht unseriös — wer Platon las, war ein Lump. Viele Quellen bezeugen es.
Diesen fremden Völkern, den Griechen oder wer sonst sie sein mochten, konnte man nicht deutlich genug zeigen, was sie waren und was Rom war.
Im Jahre 189 eroberten die Römer das syrische Reich in Kleinasien, 168 eroberten sie Macedonien, 167 Epirus, 146 Griechenland, 121 Südfrankreich. Eine Anakonda von rauchenden Ruinen und Ströme von Blut zeichneten die Wege der Legionen. Alles wurde ausgeplündert, man raubte den letzten Pfennig und den letzten silbernen Löffel. In Epirus, das den Namen Pyrrhos wieder wachrief, zerstörte man siebzig Städte und führte hundertfünfzigtausend Einwohner als Sklaven weg. Korinth, der »Augapfel von Hellas«, die schönste noch blühende Stadt Griechenlands, wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Bevölkerung in die Sklaverei verkauft. Delos, die geheiligte, dem Apoll geweihte Insel, wurde ruiniert und zum zentralen Sklavenmarkt Roms degradiert.
Sie alle verfluchten den Tag, an dem sie versäumt hatten, Hannibal zu helfen. Was sollte er gewesen sein? Ein maßloser Eroberer? Ein Engel, ein Engel!
Es bleibt nur noch übrig, über das Schicksal Karthagos zu berichten. Es kann nicht zweifelhaft sein, nicht wahr?
Eine belanglose Übertretung des fünfzig Jahre zurückliegenden Vertrages nahmen die Römer zum Anlaß einer »Intervention«, zum Anlaß des sogenannten dritten Punischen Krieges. Die Karthager hatten sich eines (vielleicht sogar von Rom angeregten) Angriffs der Numidier erwehrt, ohne Rom um Erlaubnis zu fragen. Der in Afrika stationierte Legionskommandeur griff sofort ein und verlangte die Auslieferung aller Waffen und aller Schiffe. Die Karthager, verschreckt, gehorchten. Sie stellten auch noch Geiseln. Dem Senat genügte das nicht. Er befahl den Puniern, die Stadt, die geschleift werden sollte, zu räumen und sich in der Wüste anzusiedeln. Das war das Signal für den letzten, den heroischen Todeskampf Karthagos. Es machte sich fertig zum Weltuntergang: Frauen und Kinder schnitzten und hämmerten — Schwerter, Lanzen, Pfeile, Bogen. Man schmolz Statuen ein für Pfeilspitzen, riß Gitter ab für Spieße, grub die Plätze auf für Zisternen; die Tempel verwandelten sich in Waffenschmieden; in heiligen Hallen türmten sich Kriegsgerät, Wurfsteine, Pech und Schwefel. In allen Häusern sammelte und stapelte man fieberhaft Vorräte.
Sie waren rasch da, die Römer. Die Flotte blockierte die Seeseite, das Heer schnitt die Verbindung im Rücken ab — es war ja so einfach.
Zwei Jahre lang, bis 146, hielt Karthago stand. Der Hunger raffte die Alten hin, Seuchen die Jungen. Man konnte die Toten nicht mehr begraben und lebte zwischen Leichen. Keine Hoffnung und Hilfe, niemand rührte sich, die Angst vor der rasenden Wölfin war zu groß.
Dann kam das Ende. Die Römer setzten zum Sturm an und brachen ein. Jedes Haus war eine Festung; jede Gasse mußten sie einzeln nehmen, jeden Karthager einzeln erschlagen. Was an Frauen und Kindern übrigblieb, wanderte in die Sklaverei. Die Stadt wurde eingeebnet. In einem symbolischen, feierlichen Akt ließ der Senat sie von einem Pflug umgraben. Dem siegreichen Feldherrn — einem Patrizier — bereitete das Volk einen Triumphzug.
*
Hier hielt die antike Welt wirklich den Atem an. Vor diesem sogenannten »Dritten Punischen Krieg« stand schon das Altertum wie vor einem Rätsel, und der heutigen Geschichtsforschung und Deutung ergeht es genauso. Niemand versteht diesen bestialischen Wutausbruch und diesen höllischen Haß. Karthago war mittellos, nichts lockte. Es war bescheiden, nichts reizte. Es war gehorsam bis zur Erniedrigung. Es besaß keine Zukunft, die drohte. Es war ein Nichts. Von der
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