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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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sagte den Römern, daß die Stadt ruhig sein könne, Hannibal werde nicht kommen. Er erklärte ihnen, daß der Karthager in offener Feldschlacht nicht zu besiegen sei, es dürfe keine Schlacht mehr geben. Er sähe nur eine Aufgabe: hinter Hannibal herzuziehen und alle Städte, alle Orte, die er erobert oder — und das sei die schreckliche Gefahr — zum Abfall von Rom gebracht habe, wieder zu nehmen. Ruhe, Festigkeit müsse von den Wiedereroberern ausgehen. Die italischen Völker müßten wissen, wohin sie gehörten. Zu Rom. Zu der großen, immer gegenwärtigen, nie schlafenden Wölfin, die hinter dem fremden Eindringling herziehe. Denn Hannibal wolle das Reich zerstören. Furchtbar enttäuscht gingen die Zuhörer heim. »Keine Schlacht«, »nicht zu besiegen«, »Hinterherziehen« — was für Aspekte! Ehe der Hahn einmal krähte, hatte Fabius Maximus seinen Spottnamen weg, Cunctator, Zauderer, und hatten sich die einstigen Parteigänger und Kumpane von Volksfreund Flaminius zusammengefunden. Einige Monate lang ging es noch nach dem Plan des »Zauderers«, dann wurden Befehle nicht mehr ausgeführt, Operationen sabotiert. Der Kommandeur der Reiterei, Marcus Minucius, rebellierte offen. In einem modernen wissenschaftlichen Geschichtswerk heißt es: »Er war von der politischen Farbe des Flaminius. Zwischen beiden (Minucius und Fabius) kam es zu Zerwürfnissen, sodaß der einheitliche Oberbefehl des Diktators gesprengt wurde. Damit hatte also die innenpolitische Auseinandersetzung bereits auf das Verfassungsrecht übergegriffen.«
    Entschuldigen Sie, — wie war das? »Farbe«? Eines untergebenen Offiziers im Kriege? »Zerwürfnisse«? »Gesprengt?« Gesprengt, nicht verraten? Auf Verfassungsrecht »übergegriffen«? Nennt man das so, wenn es von der »Farbe« des Flaminius ist?
    Nein, meine Freunde. Das ist in aller Welt Rebellion. Das ist nach dem Kriegsrecht aller Völker der Erde reif für die Kugel. Und wer in einer Demokratie dem rechtmäßig vom ganzen freien Volk Gewählten sein Recht verweigert, bricht die Verfassung. Wer ihn verrät, begeht Hochverrat.
    Erstaunlicherweise hat Fabius seinen Reitergeneral nicht köpfen lassen. Flaminius umgekehrt hätte es getan.
    Fabius Maximus tat etwas anderes: Er nahm seinen Hut und ging.
    Er war zweimal sechs Monate Diktator gewesen; Diktator bedeutet nach dem tiefen Mythos dieses fast heiligen Amtes »Imperator«. Perfide, eidbrüchige Militärs und skrupellose, eidbrüchige Parteipolitiker haben den Mythos geschändet. Unter Händereiben und ungestraft. Niemand wird es verwundern, daß Quintus Fabius Maximus Cunctator der letzte frei gewählte Diktator der römischen Geschichte blieb. Der Mythos und der Glaube waren tödlich getroffen.
    Das geschah 216. Merken Sie sich dieses Jahr, in dem die Virtus starb.
    Wie tief Rom angesichts der verzweifelten Lage gesunken und wie irre — im medizinischen Sinne — die Plebs geworden war, beweist, daß einige Tribus den Marcus Minucius als »Gegendiktator« aufstellten. Die Plebs begann, der Plebs zu werden. Die Menge kannte nur noch zwei Extreme, zittern oder johlen. Man war immer abergläubisch gewesen, jetzt griff man auf den wildesten Aberglauben zurück, holte fremde Götter herbei, errichtete der asiatischen »Großen Mutter« mit ihrem obszönen, den Römern so fernliegenden Kult einen Tempel, und, was Sie in den Geschichtsbüchern kaum finden werden: Man wollte Blut, man rief nach Menschenopfern und schlachtete Gefangene vor den Altären ab.
    Wo war das Rom des Cincinnatus geblieben, das Rom des Camillus, des Horatius?
    Keiner war glücklicher über den Abgang des Fabius Maximus als Hannibal. Das schönste Geschenk, das ihm die Römer machen konnten — er hatte es nicht zu hoffen gewagt. Es lief nicht alles so, wie es anfangs ausgesehen hatte: Wohin er kam, gewann er Freunde. Sobald er ging, hatte er sie wieder verloren. Das größte Rätsel gaben ihm die Samniten auf: er war nicht imstande, ihren Flaß gegen Rom wieder zu wecken.
    Aber nun kamen vorzügliche Nachrichten. Rom hatte zwei neue Konsuln gewählt, einen Patrizier, dessen Namen sich zu merken überflüssig ist, und einen Plebejer, Terentius Varro, überzeugten Anhänger von Flaminius, aus ähnlichem Holz geschnitzt, einen dynamischen Mann.
    Rom setzte die Rüstungen, die schon Fabius Maximus in Eile begonnen hatte, fiebrig fort. Man legte alle Scheu ab und preßte in Rom und bei den Verbündeten weit über hunderttausend Mann heraus. Man machte auch vor der

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