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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Gefangenen frei, übergab den Römern die so bewunderten Kriegselefanten und die Flotte bis auf zehn Dreiruderer. Es verpflichtete sich, keinen Krieg mehr zu führen und Konflikte mit fremden Mächten Rom entscheiden zu lassen. Die Kriegsentschädigung war diesmal enorm: zehntausend Talente, zahlbar innerhalb von fünfzig Jahren. Als Sicherheit hatte Karthago Geiseln zu stellen. Niemand natürlich erwähnte in diesem Zusammenhang den Namen Hannibal. Ich sage »natürlich«, nein, es war nicht natürlich. Ermessen Sie an meiner Formulierung mein dummes Herz. Karthago wurde eine Provinzstadt, wie sie es vor dreihundert Jahren gewesen war. Aber es konnte leben. An die Spitze des Staates berief man Hannibal. Solange er ihn führte, ging alles gut. Aber die Krämer verrieten ihn zum zweitenmal, und 195 schickten sie ihn fort — in die Verbannung. In der Fremde irrte er wie einst Themistokles von Hof zu Hof. Er starb 183, im gleichen Jahre wie sein glücklicherer Gegner von Zama, Roms Liebling Publius Cornelius Scipio Africanus — auch er in der Verbannung.
    Was für ein Moloch ist unser aller Mutter, das Volk.

    *

    Es wäre schön, wenn die Geschichte Roms hier enden würde. Wie schön, wenn sich für uns beim Anblick der Ruinen des Forum Romanum, der Triumphbögen, der Siegessäulen und Tempel nur die Erinnerung an dieses alte Rom verbinden würde. Wenn die hinter den Hügeln untergehende Sonne mit ihrem milden, bronzenen Corot-Licht dem heutigen Wanderer Gestalten wie Fa-bius Maximus Cunctator und Scipio Africanus vorspiegeln würde. Aber leider: das, was wir erblicken, wenn wir vor dem häßlichen Eisengitter des »Lacus Curtius« stehen und in die Runde schauen, ist nicht jenes alte Rom, es ist ein anderes, mit anderen Menschen. Seine Geschichte ist es, die ich nun berichten muß. Versuchen Sie, es zu lieben, wenn Sie können. Ich kann’s nicht.

IM SECHSTEN KAPITEL

müßten die Römer eigentlich glücklich sein. Ihr Ziel haben sie erreicht, die ganze antike Welt ist Imperium Romanum geworden. Friede — wie schön! Aber es kommt so, wie Oswald Spengler einmal geschrieben hat: »Der Krieg ist eine ewige Tatsache. Wenn die Welt ein Einheitsstaat wäre, würde man die Kriege Aufstände nennen.« Tiberius Gracchus entfesselte den ersten.

    Die Wölfin hatte bisher ihr Lager verteidigt, ihren Sielplatz, ihre Jungen, ihre Tränke. Aber jetzt hatte sie Blut geleckt.
    Es kamen schreckliche Jahre.
    Man könnte sagen: Überall witterte Rom Feinde und Fallen. Aber das ist nicht wahr. Überall witterte Rom Gold und Macht. Die Menschen waren nicht wiederzuerkennen. Jeder machte mit. Die unten dachten nur noch an Geld, die oben nur noch an Reichtum, an riesigen Reichtum. Die Patrizier warfen im Anblick dessen, was da passierte, ihre Herrenhaltung, ihre Patronatsgesinnung, ihre Rittergutsnobilität über Bord und stürzten sich mit in den Strudel. Die Schichtung des Volkes vereinfachte sich auf amerikanische Weise, man war »in« oder man war Masse. Noch zählten — zum Beispiel — die Patrizier zum »in«, aber sie hatten zu tun, es zu bleiben. Sie mußten sich verdammt tummeln. Und sie tummelten sich. Geradlinigkeit, Ehrempfinden, Schamgefühl, Selbstzucht, Können, Aufopferung waren — wenn früher auch schon nur bedingt — jetzt überhaupt nicht mehr an eine Schicht gebunden. Männer, die dies irgendwo im Leben verkörperten, waren Einzelerscheinungen, sie kamen wie Cato aus dem kleinen Grundbesitz oder wie Sulla aus dem verarmten Adel oder wie Horaz und Terenz aus dem Sklaventum. Sie waren auch gar nicht mehr zu klassifizieren; der eine war »konservativ«, der andere »fortschrittlich«. Sie waren Einzelerscheinungen, das Verbindende war ihre gemeinsame Verzweiflung über die Entwicklung.
    Das Landvolk, das nach dem langen Kriege die Felder und Haine verwüstet oder verkommen wiedergefunden hatte, zögerte, sich einer so dümmlichen Lebensarbeit wie dem Ackerbau aufs neue zu widmen. Das Brodeln und Rumoren der Stadt machte sie unruhig. Bei der Arbeit in der Einsamkeit, weit draußen auf dem Lande, kamen sie sich vergessen vor. Die Söhne und Töchter wollten nichts verpassen, verließen die Höfe und gingen in die Stadt. Rom hatte sich daran gewöhnt, sich von fremden Völkern ernähren zu lassen. Was einst im Kriege aus Not geschah, wurde jetzt fortgesetzt: Die Schiffe karrten heran, was man brauchte. In die Manufakturen, in die Gruben, in die Minen, an die Brennöfen kamen Sklaven zu Zehntausenden, zu

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