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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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zuende.
    Und dann standen die Tausende von Soldaten da und warteten, was da kommen würde. Aber es kam nichts. Da es noch kein Berufsheer gab, waren sie von einem Tage zum anderen nur noch schlichte Arbeitslose, Jugendliche ohne einen Begriff von bürgerlichen Pflichten, Ältere, die nie einen Beruf erlernt hatten, Altgewordene, aus der Bahn geworfen, und Invaliden, zu nichts mehr nütze. Sie merkten es nicht gleich, zunächst hatten sie noch Geld.
    Es war was los in Rom, oho! Die Geschäfte quollen über von Waren; schau an, da lag ja der schwarze Kaviar, den man in Thrakien gelöffelt hatte, und die macedonischen Rauchwürste waren da, und das Fischgaron in Töpfchen, das man in Korinth den Katzen hingeworfen hatte, weil es als so kostbar galt. Und der ganze andere Kram aus Spanien, Afrika und Asien; kein Grund zum Atemanhalten für alte Krieger. Beim Schreiner vergoldete Stühlchen, wie wir sie gesehen haben in — wo war es gewesen? Und Luxusbetten nach athenischen Modellen. Darin haben wir geschlafen mit Sandalen und Beinschienen.
    Schenken wuchsen an allen Ecken aus der Erde. An allen Markttagen und zu allen Festen gab es jetzt Circusspiele, denn das Leben sollte lebenswert sein. Saure Wochen, frohe Feste; so viele Feste konnte der Senat gar nicht stiften, wie man saure Wochen erlebt hatte als alter Krieger.
    Die Stadt war reich geworden, fast über Nacht. Aus den eroberten Ländern, den sogenannten »Provinzen«, floß ein unablässiger Strom von Steuergeldern herein. Die Bankherren, für die vor genau hundert Jahren eine geprägte Goldmünze noch fast ein Museumsstück war, die Schiffsreeder und Importeure rechneten mit Zahlen, von denen ihre Väter noch nicht einmal geträumt hatten. Neue Berufe kamen auf, zwittrige, anrüchige: »Vermittler«, »Makler«, »Heereslieferant«, »Steuerpächter«. Auf den Straßen sah man jetzt Tausende, die an ihrer Toga den Purpurstreifen trugen, wie früher nur die Senatoren, es waren die offiziellen Nouveaux Riches der obersten Steuerklasse, die »Equites«, die »Kommerzienräte« der neuen Zeit. War nicht allzuschwer durchzusetzen gewesen und sah doch ziemlich nobel aus.
    Rom wuchs und wuchs. Vom Land waren die Menschen in die kleinen Städte, von den kleinen Städten in die großen gezogen, und jetzt kamen sie im Sog in der Hauptstadt an, mit vielen oder mit wenig Hoffnungen, mit großen staunenden Augen oder mit Schlitzaugen, alle aber mit Unrast im Herzen. Das Fernsehen, das Von-ferne-Sehen des Luxus, war bis nach Apulien und bis an die Alpen gedrungen.
    Es gab keine Arbeit in Rom. Sklaven waren billiger, sie kosteten gar nichts. Sie maulten nicht, sie streikten nicht, sie waren oft sogar »Herren« — wie sie es einst in der Freiheit auch gewesen waren. Gräfliche Sklaven bedienten bei Tisch, thebanische Doktoren waren Türhüter und Professoren aus Lemnos unterrichteten als Sklaven die Kinder. Es wimmelte von ihnen wie 1918 von russischen Großfürsten in der Pariser Taxiwelt. Eine Hydra wucherte heran, ein riesiges Proletariat von Römern und Italikern, das sich vom Leben des Bürgertums und der Welt der Arbeit immer mehr distanzierte; das nicht gerufen worden war, nicht gebraucht wurde und das auch wußte.
    Es galt also jetzt, »soziale Probleme« zu lösen. Da blühte noch einmal der Weizen der Volkstribunen. Bald ging es zu wie am Hyde Park Corner.
    Auch dem Senat war klar, daß etwas geschehen mußte. Etwas Soziales, versteht sich. Das war möglich, auch ohne die Nouveaux Riehes zur Ader zu lassen. Man besaß genug finanzielle Mittel.
    Aber »Mittel« gliedern kein Proletariat ein, »Mittel« verewigen es.
    Man gab Unterstützungen aus, verteilte Nahrungsmittel, man gab ihnen Vergnügungen (panem et circenses). Man begann, sich damit vertraut zu machen, Ernährung und Unterkunft ganz übernehmen zu müssen. Man konnte diese Masse nicht einmal zum Militär einziehen, denn als Besitzlose zahlten sie keine Steuer, hatten also im Sinne des alten Gesetzes keinen Anteil an der Unterhaltung des Staates, auch nicht des Heeres. Sie hatten nur zweierlei: jede Menge Kinder (proles = Nachkommenschaft) und Stimmrecht als römische Bürger. Die Kinder wurden wieder Proletarier, und ihre Wahlstimme, auf die sie als große Demokraten um nichts in der Welt verzichtet hätten, pflegten sie an den Meistbietenden zu verkaufen.
    Diebesbanden strichen jetzt nachts durch die Straßen. Die Bürger verriegelten die Türen, und wer in der Dunkelheit ausgehen mußte, nahm einen

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